Als mein Mann Christoph vor fast sieben Jahren mitten aus unserem Leben, meinen Kindern und mir von der Seite gerissen wurde, da haben wir die Nähe von Freunden, Verwandten, Bekannten, Nachbarn erfahren dürfen, ihren Beistand ­im Wortsinn! Umfangen und gehalten sein von Menschen, die beistehen, bei einem stehen, das ist ein Segen inmitten unfassbarer Trauer.

Beistand: auch heute, viele Jahre danach, ist es mir ein Trost, dass Christoph nicht alleine gestorben ist und unsere jüngste Tochter bei ihm war, so schwer es für sie gewesen sein mag! Er war nicht allein, er hatte guten Beistand; durch Felicitas waren wir alle bei ihm.

Was mag dann aber mit den vielen Menschen sein, die jetzt in Pflegeheimen und Krankenhäusern weitgehend unbegleitet sterben müssen, deren Lieben nicht ihre Hand halten und ihnen gute Worte des Danks sagen können? Und was ist mit den trauernden Angehörigen, die von niemandem in den Arm genommen werden können? ­ Uns erreichte ein Brief der Frauenbundfrau Gabriele Greef. Sie durchleidet in diesen Wochen die Erfahrung der Vereinzelung in der Trauer. Deshalb möchte ich an dieser Stelle gerne ihren tapferen Bericht aus einer Situation weitergeben, in der sich tiefe Trauer und Isolation treffen und verstärken:

„Am 11.02. um 11.00 Uhr war meine Welt noch in Ordnung. Um 11.30 Uhr fiel mein Mann, 71, plötzlich um und war tot. Zwei Tage vor meinem 70. Geburtstag. Eine Woche später dann die Beerdigung. Am 02.03. musste ich für einen geplanten Eingriff ins Krankenhaus. Danach kam erst meine Tochter, dann meine Schwester. Noch war ich wie im Schock. Und wusste nicht, wie ich mit dem Verlust fertig werden sollte. Meine Kinder wollten regelmäßig kommen. Meine Freundinnen mich trösten.

Doch dann kam Corona.

Und ich war mit meiner Trauer mutterseelenallein. Ja, es gibt Mails, es gibt Telefonate, es gibt Fotos und WhatsApp-Nachrichten. Ich räume, ordne, backe, lese … und irgendwann geht nichts mehr. Ich stelle fest, es fällt mir sehr schwer, auf die Nähe von Menschen zu verzichten. Und es ist nicht leicht, nachts um 03.00 Uhr heulend bei den Kindern, die doch auch trauern, anzurufen. Und so warte ich bis Samstagmorgen, um nachher zu hören, alle drei Kinder waren auch nachts wach…

Die Trauer ist nicht permanent. Mit Aktionen kann ich mich ablenken. Aber dann, abends beim Fernsehen, wende ich mich spontan um, will meinem Mann etwas sagen, der Sessel ist leer und wird leer bleiben. Dann kommen die Tränen.

Womit lenke ich mich ab? Wo finde ich Trost? Blumen, Bücher, Bilder, Backen, das sind schon befriedigende Ablenkungen.

Einige lustige Erfahrungen mache ich zu Zeiten von Corona auch: Ich fahre sonntags am Spätnachmittag bei uns mit 100 über die leeren Landstraßen (durchaus konzentriert und achtsam) und höre dazu laut Oldies. Oder ich übe rückwärts einparken auf leeren Parkplätzen.

Ich gehe durch den leeren Wald, sammle Moos und bastle Osterlämmer nach dem Osterheft vom Vorjahr. Am besten geht es mir aber, wenn ich mit jemandem spazieren gehe (auf Distanz) und sprechen kann. ­Und ich mache keinen Hehl daraus: Es ist schrecklich, nach 45 Jahren so plötzlich den Mann zu verlieren und dann lernen zu müssen, in der Corona-Einsamkeit zurechtzukommen. Ich spreche über die elenden Momente und ich versuche, alle glücklichen Momente, die es trotzdem gibt, nicht zu übersehen.

Alles Liebe, Gabriele Greef“