Als Ordensfrau lebe ich in einem Kloster. Das eingedeutschte Wort stammt vom lateinischen claustrum und bedeutet „verschlossener Ort“. Das hat aber nichts mit einem Gefängnis zu tun. Meine Mitschwestern und ich haben uns frei und bewusst für diesen Lebensstil entschieden. Wir, das sind acht Schwestern der Borromäerinnen in Jerusalem, wollen für die Menschen da sein, die zu uns kommen. Aber – und jetzt kommt das Leben in der „Klausur“ ins Spiel – wir ziehen uns mehrmals am Tag ganz bewusst zum Gebet zurück. Das erst gibt uns die Kraft für unsere Aufgaben, aus Liebe zu Gott und den Menschen.

Doch momentan ist alles anders. Keine Menschen kommen zu uns und wir nicht zu ihnen. Unser Pilger- und Gästehaus Deutsches Hospiz St. Charles hat seit Anfang März quasi geschlossen, weil dieser kleine Corona-Virus die ganze Welt auf Trab hält. Auch unser Kindergarten ist zu wie alle Schulen hier in Israel und Palästina. Was wohl unsere rund 130 kleinen Schützlinge den ganzen Tag zuhause in den meist engen Wohnungen machen? Hoffen wir mal, dass sie durch unsere Online-Hausaufgaben und Bastelideen etwas abgelenkt sind und den Eltern nicht zu viel auf der Nase herumtanzen. Aber mit drei, vier und fünf Jahren braucht man ziemlich viel Bewegung und Platz zum Toben, schon vergessen?

Bei uns im Kloster ist es ziemlich still geworden, die Gästegruppen und die Kinder fehlen. Ein paar neue Mitbewohner haben wir trotzdem, denen ist der Corona-Virus relativ egal. Seit der Kindergarten geschlossen ist, habe ich bei mir auf dem Fensterbrett zwei Mini-Aquarien mit Goldfischen zu Gast. Die meiste Zeit schwimmen sie in Ruhe und Leichtigkeit vor sich hin. Und sie sagen: nichts. Den ganzen Tag schweigen sie vor sich hin. Faszinierend und erstaunlich, für mich als Mensch. Neulich war ein Wirbelsturm im Wasserglas, als ein Fischweibchen Eier brachte. Was für eine Überraschung: Nachwuchs im Kloster, also im Goldfischbecken, über 100 kleine Fischeier! Doch die Freude verflog schnell, als wir registrierten, dass das Männchen die Eier zum Fressen gern hatte. Der wenige Fischlaich, der gerettet werden konnte, entwickelte sich nicht weiter – das ewige Leid der Fischzüchter. Inzwischen ist wieder Ruhe eingekehrt im Wasserglas. Ob die Kinder die kleinen Fische vermissen? Und umgekehrt?

Von den Umständen und den Goldfischen inspiriert schrieb ich vor wenigen Tagen einem Bekannten in Jerusalem als Gruß am Schluss: Silence is golden“. Postwendend antwortete er: „Könntest Du das mal meiner geliebten kleinen Tochter hier in Zeiten des Homeoffice und der Ausgangssperre erklären!?“ Da hat er mich erwischt! Die Stille ist nicht immer so golden wie sie tut, sie kann in diesen Tagen ganz schön aufreibend sein. Dann passt wohl eher dieses Lied: Schweige und höre Ich summe es von Zeit zu Zeit den Goldfischen vor.

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Frauenbund- und Ordensfrau in der Gemeinschaft der Barmherzigen Schwestern vom Hl. Karl Borromäus im Deutschen Hospiz St. Charles in Jerusalem; promovierte Theologin mit besonderer Leidenschaft für Kirchenrecht. – „Beten und Arbeiten“ ist das Patentrezept für ein glückliches Leben, nicht erst seit Zeiten der Bedrohung durch Pandemien. Wer´s glaubt, wird selig? Klar doch, aber das funktioniert nicht nur im Kloster. Denn sind wir von Gott nicht alle als Heilige berufen?

One Comment

  1. Hildegard Grosse 7. April 2020 at 18:10

    Liebe Sr. Gabriele,
    danke für Ihre Gedanken. Ich genieße die „Entschleunigung“. Gerade März und April war bei uns in den vergangenen Jahren immer die Zeit der Frühjahrsralley. Sie kennen es ja selber aus Ihrer Zeit beim KDFB. Und jetzt nichts als Ruhe, erwachende Natur und viel Zeit zum Beten und Meditieren. Ganz liebe Grüße ins Heilige Land, Gesundheit für Sie und Ihre Mitschwestern und ein frohes und gesegnetes Osterfest, sowie bald wieder Normalität bei Ihnen und bei uns.
    Hildegard Grosse, Diözesan-Schatzmeisterin Mü.-Freising

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