Jetzt wird es langsam lang. Das Abenteuerliche und Aufregende rückt immer mehr in den Hintergrund, die Sorgen nehmen mehr zu. Wo soll das noch alles hinführen? Das kann niemand wissen, aber ich kann sagen, wo „Corona“ mich selbst schon hingeführt hat. Einiges ist  möglich geworden, von dem ich selbst nicht wusste, dass es noch da ist:

Unser Garten, sonst eine echte Wildwüste, sieht so wunderbar aus wie noch nie. Auf den Knien wühle ich mich durch das Erdreich, grabe, schneide und hacke und freue mich über die ansehnlichen Ergebnisse, die geschundenen Knochen und die dicken schwarzen Ränder unter den Fingernägeln. Unsere Tochter pflanzt Kräuter über Kräuter und bereichert unsere Salate. Ich hoffe auf Kohlrabi und Wirsing und zähle die Feigen am Baum. Wer hätte das gedacht, ich habe richtig Freude daran.

Schon am Beginn meiner Homeoffice-Zeit haben mich meine beiden Töchter zu einer 30-Tage-Yoga-Challenge herausgefordert. Mit Yoga hatte ich noch nie was zu tun, aber ich dachte mir, kann ja nicht schaden in diesen aufregenden Zeiten. An zwei verschiedenen Standorten haben wir uns also parallel zu dritt per youtube durch die Anleitungen gearbeitet, gegenseitig ermutigt, nicht aufzugeben und Feedback gegeben. Die Sensation: das 30 Tage Programm ist um und wir haben durchgehalten, ja starten in die nächste Runde. Die noch größere Sensation: Schon seit 30 Tagen haben wir jetzt Homeoffice und noch ist kein Ende in Sicht.

Doch zu den Corona-Neuerungen gehört auch die Wiederentdeckung einer ganz alten Liebe. Zu Schulzeiten hatte ich in meiner Heimatkirche Orgelunterricht. Da war ich nie eine große Berühmtheit, aber immerhin: Abendgottesdienste und Samstagvorabendmessen durfte ich begleiten. Bevor ich mich bis zu den höhreren Weihen eines Hochamtes durchgeorgelt hatte, kam das Abitur, der Umzug nach Italien, das Studium ….und nie wieder die Gelegenheit, Kirchenorgel zu spielen. Bis jetzt. Unsere Pfarrkirche steht jeden Tag zum Gebet offen, Freiwillige sorgen für Präsenz und stünden auch zum Gespräch zur Verfügung. Es kommen immer Leute, aber doch so wenige, dass ich in den Leerzeiten dazwischen mich wieder getraut habe und auf die Orgelbühne verschwinde. Ich habe meine alten Noten rausgeholt und spiele so vor mich hin. Es ist mir eine große Freude und ein Zwang zur Konzentration, hilfreicher als jede Meditation. Besser geworden ist meine Musik über die verlorenen Jahrzehnte – wie zu erwarten – nicht, man kann sie  wahrlich niemanden zumuten, deswegen unterbreche ich immer, wenn Leute kommen.

Aber wer weiß, wie lange Corona noch dauert und mir Zeit gibt. Womöglich habe ich mich dann wieder bis zum Abendgottesdienst „vorgeorgelt“. Wir wollen es nicht hoffen!