Vor ein paar Jahren war ich einige Tage im Dezember bei meiner Tochter im schwedischen Göteborg, wo sie damals studierte. Der 13. Dezember, der Lucia-Tag, ist in Schweden ein ganz besonderer Tag. Gemeinsam besuchten wir deshalb in der Härlanda Kyrka, direkt neben ihrem Wohnheim, ein Lucia-Konzert. Schon beim festlichen Einzug der Lucia-Prozession waren wir überwältigt von der dichten Atmosphäre und der eigentümlichen Kraft der ruhig schreitenden Gestalten. Wir spürten die starke Ausstrahlung der weiß gewandeten jungen Mädchen, allen voran Lucia mit der Lichterkrone. Sie alle strahlten, begleitet von weiß gekleideten Jungen, eine tiefe, fast archaisch zu nennende Würde und Kraft aus.

– Dieses Jahr besuchte meine nun in Berlin lebende Tochter den Berliner Lucia-Weihnachtsmarkt. Nicht der Weihnachtsmarkt hatte sie angezogen, sondern die Schwedische Viktoria-Kirchengemeinde, die zur Lucia-Prozession einlud. Und tatsächlich, selbst im säkularen und manchmal recht lauten Berlin konnten sich die Weihnachtsmarkt-Besucher*innen dem ernsten Zauber der Lucia und ihres Gefolges, das in einer Prozession singend durch die Gänge des Weihnachtsmarkts zog, nicht entziehen.

Warum ist das so? Warum sind wir so fasziniert von diesen klaren, würde- und kraftvollen Licht-Gestalten? Die Wurzeln der Faszination reichen wohl tief hinab. – Die heilige Lucia starb nach der Legende als junges Mädchen in Syrakus, dem heutigen Sizilien, den Märtyrertod – wohl Anfang des 4. Jahrhunderts. Ihr Name bedeutet Licht, und ihr Gedenktag ist der 13. Dezember: das ist kein Zufall. Denn vor der gregorianischen Kalenderreform war der 13. Dezember ein ganz besonderer, ein hoch bedeutsamer Tag. Bis 1752 war dies der kürzeste Tag des Jahres, der Tag der Wintersonnwende, der Tag vor der heiligen Nacht des Wandels, der Weih-Nacht! Gerade im winterlich lichtarmen Skandinavien muss dieses Datum enorm wichtig gewesen sein für die Menschen, die in Dunkel und Kälte lebten und sich nach Licht und Wärme sehnten!

Königinnen, Licht-Trägerinnen, Licht-Künderinnen: Die festliche Feier der christlichen Lucia-Gestalt als Licht-Trägerin nimmt uralte Traditionen in sich auf, und ich meine, das ist bis heute spürbar: In den alten Mythen und Welt-Deutungen bringt die Lichtgöttin das neue Leben, das „Lichtkind“, zur Welt. Dies geschieht  in der Weih-Nacht, in der heiligen Nacht des Wandels, die auch als „Nacht der Mütter“ gefeiert wurde! Strahlend tritt das „Lichtkind“ in Erscheinung, die Licht-Künderin präsentiert es feierlich der Welt. Dieses uralte, mythische Motiv der Präsentation des Lichts und des Lichtkindes durch eine machtvolle, weibliche Gestalt ist bis heute noch zu erkennen in manch alten Darstellungen der „Anbetung der Weisen aus dem Morgenland“: Auf diesen Gemälden sehen wir eine thronende, königliche Maria mit ihrem Lichtkind und den anbetenden Weisen, die als Könige dieser Welt abgebildet sind. Sie, die Könige, huldigen der königlichen weiblichen Gestalt und dem Kind …

Die Kraft und die archaische Würde der Lucia mit der Lichterkrone und ihrem Gefolge kann uns Wege in die Vergangenheit wie in die Zukunft weisen – und uns vielleicht ein Licht aufgehen lassen.

Hier kommen Sie zum Lussekatter-Rezept, einem traditionellen Gebäck zum Luciafest.

 

 

Als Mitglied des Bundesvorstands und als Geistliche Beirätin stelle ich mir, zusammen mit vielen anderen Frauen des Frauenbunds, die Frage: Wie können wir verbunden bleiben in dieser Zeit der notwendigen Vereinzelung? In der Familie erlebe ich es gerade als ein überraschendes Glück, wie vital und tatsächlich verbindend die vielfältigen virtuellen Kontakte untereinander sind. Das bewegt mich, mit unserem frauenbundblog ein Stück Neuland zu betreten - wie es der Frauenbund übrigens zu allen Zeiten getan hat - und Sorge und Hoffnung, aber auch Alltägliches, Banales, Besonderes auf neue Weise zu teilen: Auch so können wir einander begegnen und einander bewegen ...

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