Warum schreibe ich heute einen Blogbeitrag, in dem es scheinbar um eine Kleiderfrage geht? Aktueller Anlass sind verstörende Äußerungen eines deutschen Kardinals, Gerhard Ludwig Müller, gegenüber der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA). Es geht im weiteren Sinne um Uniformen.

Nicht wenige Menschen haben ein Faible für Uniformen: Schützenkönige tragen sie mit Stolz, auch die schmucke Dienstkleidung der Piloten und Pilotinnen gefällt vielen;  Bahnbedienstete, Polizist*innen die Schüler*innen von Eliteschulen, Pfadfinder*innen,  die Mitglieder der Schweizergarde, aber auch von Motorradclubs tragen ihre Uniformen (im letzten Fall Kutten genannt)  oft mit Stolz. Die gemeinsame Kleidung zeigt die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe und unterscheidet diejenigen, die sie tragen, von den anderen. –  Das ist erst einmal wertneutral, weil es eben nicht bedeutet, dass eine Nicht-Polizistin, also etwa eine Erzieherin, Designerin, Anwältin, Verkäuferin weniger wert ist, als eine uniformierte Polizistin. Insofern haben Uniformen und das Tragen von Uniformen nicht unbedingt etwas mit Wertung/ Abwertung zu tun oder mit Bescheidenheit/ Unbescheidenheit. Ein deutscher Kardinal lehrt uns hier eines Besseren – oder auch Schlechteren:

Die Synode in Rom dauert vier Wochen, und die meisten der dort versammelten (geistlichen) Herren tragen Anzug, manche Soutane, manche ein Ordenshabit. Diese Vielfalt darf sein! Und nicht wenige tragen an einem Tag ihre Soutane oder ihr Ordenshabit und an anderen Tagen einen dunklen Anzug oder Hose und Pullover – warum nicht, vier Wochen sind lang.  Einem der informativen Berichte aus Rom von Prof. Thomas Söding entnehme ich, dass auch ein besonderer Schlips schon einmal ein netter Gesprächsanlass sein kann, prima! Vielfalt kann auch hier nicht schaden.

Befremdlich und bei genauem Lesen verstörend sind allerdings die Äußerungen des deutschen Kardinals Gerhard Ludwig Müller zur Kleiderfrage; er selbst trägt vier Wochen hindurch Soutane. Das ist nicht zu kritisieren – jeder, wie er mag. Seine Kritik an seinen Amtsbrüdern allerdings, die auf der Synode nicht knöchellanges Dauerschwarz tragen, irritiert. Gegenüber der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) moniert der deutsche Kardinal zunächst, dass viele Bischöfe und Kardinäle „Zivil-, Sport- oder Straßenkleidung“ tragen.  Wirklich erschreckend bis entlarvend wird es aber, wenn er wörtlich von einer „Nötigung zur Bescheidenheit“ spricht, „um sich nicht sichtbar von den Laien zu unterscheiden“. Das Wort „Bescheidenheit“ in diesem Zusammenhang lässt mir den Atem stocken und alle Alarmglocken schrillen. Diese Äußerungen sind ein Offenbarungseid und zeigen, wie verräterisch Sprache sein kann! Denn hier ist sie wieder, diese fatale Denkweise, die die Laien unter dem Klerus sieht. Ganz klar, der Kleriker, gar der Kardinal steht für den ehemaligen Glaubenspräfekten über den Laien, und es ist für ihn falsche Bescheidenheit, das nicht auch offen zu zeigen: Was für ein Weltbild! Es ist ein Zweiklassen-Welt- und Menschenbild, das in der Kritik des Kardinals an der Bescheidenheit seiner Mitbrüder, die sich eben nicht um jeden Preis unterscheiden wollen, zum Ausdruck kommt. Ihnen unterstellt er eine unangemessene Bescheidenheit, denn sie machen sich im Verzicht auf den feinen Unterschied (Soutane) mit dem ganzen Volk Gottes gemein. Und das ist in den Augen Gerhard Ludwig Müllers offensichtlich falsch.

Die unbiblische Machtasymmetrie,  die so viel Leid und Unheil gebracht hat, hier feiert sie wieder unverhohlen Urständ.

Schauen wir auf die Bibel, dann ist es die Taufe, die alle in gleicher Weise zu Kindern Gottes macht. Dass es unterschiedliche Wege gibt, Christsein zu leben, ist wichtig und gut. Vielfalt ist auch hier ein Gottesgeschenk. Aber es gibt keine biblisch begründete Zweiklassengesellschaft: Der liebevolle Vater pubertierender Kinder, die Mutter einer behinderten Tochter, der Sozialarbeiter, der aus christlichem Geist Menschen stärkt und ihnen aufhilft,  die freundliche Bahnangestellte, die eine Engelsgeduld mit den gestressten Reisenden hat, der alte Küster, der privat die Alten und Einsamen in seinem Umfeld besucht, sie alle stehen nicht weniger in der Nachfolge Christi als ein deutscher Kardinal.

Im Lateinischen gibt es ein Sprichwort, das mit dem vielsagenden „Si tacuisses …“– „Wenn du geschwiegen hättest“, beginnt: Ja, es wäre besser gewesen, wenn der deutsche Kardinal geschwiegen hätte. Worum geht es auf der Synode? Darum, (Status-) Unterschiede zu zelebrieren und zu zementieren oder vielmehr darum, auf vielfältige Weise erfahrbar zu machen, dass alle gemeinsam als Teil des wandernden und suchenden Volkes Gottes unterwegs sind. Das gemeinsame Gewand aller Getauften und also gleich in Christus Erlösten ist geistgewirkt; es ist das weiße Kleid der Gotteskindschaft. Und somit – keine Uniform.