In den letzten Tagen war viel von der deutschen Revolution 1848 zu lesen. Dabei wurde mir deutlich, wie wenig ich selbst über die bekanntesten und eindrucksvollsten Personen weiß, die „die Flamme der Freiheit“ hochgehalten und weitergetragen haben. Es waren einerseits Männer wie Robert Blum, Friedrich Hecker, Gustav Struve oder Georg Herwegh. Doch auch Frauen wie die Autorin und Zeitungsgründerin Louise Otto, die Journalistin Mathilde Anneke oder die Vorkämpferin der Frauenrechtsbewegung Emma Herwegh waren im Kampf für die Freiheitsrechte hoch aktiv. Sie sind heute zumeist gänzlich vergessen. Wenn ich an die restaurative Zeit des „Biedermeier“ denke, beeindruckt es mich zutiefst, dass diese mutigen Frauen in ihren vielfältigen Rollen überhaupt wirksam werden konnten – gegen alle Widerstände ihrer Zeit!

Tatsächlich ging von den Frauen ein ganz wesentlicher und im Wortsinn grundlegender Impuls für die Bewegung von 1848 aus. Denn die soziale Frage wurde zu einem entscheidenden Motor für die Reformbewegungen 1848/49. Schon Bettina von Arnim kam durch ihre Beobachtungen in den Berliner Armenvierteln zu dem Schluss, dass Armut nicht gottgewollt sondern menschengemacht sei: ein uns heute selbstverständlich erscheinender Gedanke, der damals revolutionär war und weitreichende Folgen haben sollte. Denn die soziale Frage wurde zu einem entscheidenden Antrieb für 1848 – und gerade Frauen hatten aktiven Anteil an dieser Bewegung, bis hin zur steckbrieflich gesuchten, aus großbürgerlichem Haus stammenden Emma Herwegh – der es schließlich mit Hilfe eines Bauern gelang, sich in die Schweiz zu retten. Immer mehr Frauen beteiligten sich aktiv am Kampf gegen die Willkür der Fürstenmacht, gegen Ungleichheit – für Emanzipation und Meinungsfreiheit. In der FAZ lese ich dazu: „Statt Fahnen und Transparente zu nähen und schwarz-rot-goldene Kränze zu flechten, halfen sie beim Barrikadenbau und griffen mitunter zu den Waffen.“ Auch das wusste ich nicht!

Was können wir von den mutigen Frauen von 1848 lernen? Zu den Waffen greifen müssen wir hier und heute zum Glück nicht, aber wenn wir auf die Stellung der Frau in der katholischen Kirche und in vielen Ländern dieser Erde schauen, dann ist der Weg zur Gleichberechtigung noch weit. Frauenverachtung und misogyne Strukturen sind (wieder) weltweit wirksam.

Sozial und emanzipatorisch hoch engagierte katholische Frauen haben von den mutigen Frauen von 1848 gelernt und 55 Jahre nach der Revolution einen bis heute wirksamen Bund der Frauen, den Frauenbund gegründet: Auch sie wollten keine Kränze flechten oder Fahnen nähen (obwohl auch das sinnvoll sein kann), sondern wirksam werden: Die Frauen von 1848 und unsere Frauenbund-Gründerinnen von 1903 erinnern uns an unsere Möglichkeiten. Bleiben wir wachsam, bleiben wir viele, bleiben wir vernetzt und wirksam. Geben wir das Errungene nicht leichtfertig preis. Denn Frauenrechte sind Menschenrechte, unteilbar.

Als Mitglied des Bundesvorstands und als Geistliche Beirätin stelle ich mir, zusammen mit vielen anderen Frauen des Frauenbunds, die Frage: Wie können wir verbunden bleiben in dieser Zeit der notwendigen Vereinzelung? In der Familie erlebe ich es gerade als ein überraschendes Glück, wie vital und tatsächlich verbindend die vielfältigen virtuellen Kontakte untereinander sind. Das bewegt mich, mit unserem frauenbundblog ein Stück Neuland zu betreten - wie es der Frauenbund übrigens zu allen Zeiten getan hat - und Sorge und Hoffnung, aber auch Alltägliches, Banales, Besonderes auf neue Weise zu teilen: Auch so können wir einander begegnen und einander bewegen ...

3 Kommentare

  1. Ulrike Gerdiken 25. Mai 2023 at 11:13

    Danke für diesen Blogeintrag! Wisst Ihr, dass im Frankfurter Kaisersaal im Römer im Moment anstelle der Kaiserbilder Portraits von 48 Revolutionärinnen hängen? Dazu gibt es auch eine Homepage mit Infos zu den Frauen: https://klischeefreie-zone-ffm.de/revolutionaerinnen/

  2. Dorothee Sandherr-Klemp 30. Mai 2023 at 12:41

    Das wusste ich tatsächlich nicht, und ich werde mir die Portraits sehr gerne zumindest auf der Homepage anschauen – auch wenn´s im Kaisersaal im Römer noch schöner wäre. Danke, liebe Ulrike, für diesen Hinweis!

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