Irgendwo habe ich das Eigenschaftswort „mütend“ gelesen. Im Gespräch mit Teilnehmerinnen der „Digitalen Kaffeepause“ letzte Woche kam es mir plötzlich wieder in den Sinn. Ja, manche sind „mütend“: Sie sind wütend über die unendliche Geschichte geistlichen und sexuellen Missbrauchs und sie sind auch betroffen von der sich allerorten zeigenden Geringschätzung der Gemeinden zugunsten der sturen Erhaltung klerikaler Machtstrukturen. Gottesdienste entfallen, Gemeinden werden sich selbst überlassen, sie bluten aus. Zur Trauer über die Verluste in den Pfarrgemeinden, deren Bedürfnisse schon lange vernachlässigt und schlichtweg missachtet werden, kommt die Wut über den (mindestens) jahrzehntelangen Machtmissbrauch in den Schaltstellen der kirchlichen Macht, begangen von höchstrangingen Klerikern.
Zugleich wächst in manchen treuen Gemeindemitgliedern eine große Müdigkeit, es wächst das Gefühl der Vergeblichkeit, es wächst die Frustration darüber, dass sich Reformverweigerer und alte Seilschaften erneut zusammenschließen und eine fast militante Mauer der Abwehr aller notwendigen Veränderungen bilden. Das macht wütend – und zugleich ist es ermüdend, immer wieder aufs Neue zu scheitern an Kirchen- oder vatikanischen Mauern.
Ja, ich spüre in Gesprächen diese Enttäuschung. Wenn ich mit Frauen (und auch Männern) spreche, die sich von Kindesbeinen an, mit Herzblut und jeder Menge Lebenszeit für die Kirche, für ihre Gemeinden, für die Botschaft Jesu eingesetzt haben, dann nehme ich genau diese Mischung wahr: Ratlosigkeit, Traurigkeit, tiefe Enttäuschung. Das, woran sie geglaubt, wofür sie sich fast lebenslang eingesetzt haben, wird durch den im System wurzelnden Machtmissbrauch verdunkelt. Die Gemeinden, zu deren Blühen sie beigetragen haben, verkümmern. Ja, viele sind wütend und zugleich müde des Hoffens, des sich Einsetzens, Streitens für Geschwisterlichkeit und Gerechtigkeit innerhalb der Kirche. Es scheint eine David gegen Goliath-Konstellation zu sein.
Aber es gibt auch aufbauende Bewegungen, die hoffen lassen: Die Benediktinerin Sr. Philippa Rath veröffentlichte in diesem Jahr in ihrem Buch „Weil Gott es so will“ eine Sammlung von so berührenden wie bedrückenden und zugleich überzeugenden Berufungsgeschichten von Frauen. Von ihnen war hier schon die Rede. Frauen, die ihre Berufung verschweigen mussten, erzählen hier ihre Geschichte. Es geht im Tiefsten um Gerechtigkeit, um biblisch zugesagte Gottebenbildlichkeit, ja um Befreiung.
Junge Theologinnen schließen sich unter dem Hashtag „Mein Gott diskriminiert nicht“ zusammen. Und neben allen Verhinderungsallianzen gibt es hoffnungsvolle Zeichen und Begegnungen auf dem Synodalen Weg und darüber hinaus, die darauf verweisen, wie Verständigung gelingen und Kirche Zukunft haben kann.
Ich selbst kenne das Gefühl der Vergeblichkeit. Gleichzeitig ist für mich der Austausch, die Begegnung mit den eigenständigen, tatkräftigen Frauen des Frauenbundes und mit der ihnen eigenen Kultur des Hörens und Erzählens mutmachend. Stärken und ermutigen wir einander, wenn wir „mütend“ sind. Und vergessen wir nicht: Die Dimension der Hoffnung ist zutiefst in unserem Glauben verankert. Gegen alle scheinbaren Logiken und felsenfesten Widerstände. Die unterschiedlichen Frauen des Frauenbundes stehen für diese Hoffnung. Das bedeutet mir viel.
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