Seit diesem Jahr hat Familie Schmidt ein Spotify-Familienabo. Eigentlich habe ich (altmodisch wie ich bin) immer gesagt, so etwas brauche ich nicht. Ich kann ja nicht mal die vielen CD´s hören, die im Regal zuhause verstauben. Aber da die Männer meiner Familie anders entschieden haben, komme nun auch ich in den Genuss dieses Streaming-Dienstes.

Und –etwas ungern- gebe ich zu, dass das schon eine feine Sache ist: immer und überall das hören zu können, wozu ich gerade Lust habe! Dabei bringt meine Lust eine wilde Mischung hervor: von Grönemeyer bis Reinhard Mey, vom Duett aus der Oper „Perlenfischer“ bis zur Bach-Kantate, von der Filmmusik aus „Jenseits von Afrika“ bis hin zum Cohen-Halleluja… Immerhin reicht mein technisches Vermögen aus, um alles in sogenannte Playlists zu sortieren. Dann kann ich je nach innerer Stimmungslage entscheiden, ob ich gerade eher Klassik hören mag oder Popsongs oder wunderbare Filmmusik.

Nun aber hat mir Spotify meinen Jahresrückblick vorgelegt. Hoppla, denke ich, denn ich hatte nicht darum gebeten! Dieser Streaming-Dienst will mich jedoch gerne wissen lassen, wie er meinen Musik-Konsum einschätzt. Dazu gehören genauso die Minuten meiner Jahres-Hörzeit wie auch die Enthüllung meiner „Audio-Aura“.

Audio-Aura? Ich muss lachen. Das klingt ein bisschen esoterisch. Aber nach und nach ploppen die Spotify-Erkenntnisse vor mir auf: Welches Stück habe ich in Dauerschleife gehört? Welchem Musiker war ich besonders treu? Welchen Charakter haben meine Musikstücke, welche innere Stimmung habe ich mit meinem Hörgeschmack bedient? Ich merke, dass ich mich irgendwie ertappt fühle.

Natürlich weiß ich, dass da kein Mensch sitzt und mir eine persönliche Einschätzung meiner musikalischen Seelenlage überreicht. Aber einmal neu wird mir bewusst, wie gläsern ich bin für jene, die mich auswerten möchten. Fehlt nur noch, dass mir Payback rückmeldet, wie viele Rollen Klopapier ich im vergangenen Jahr gekauft habe, denke ich etwas konsterniert…

Ich schalte das Smartphone aus. Und mache mir bewusst, dass die eigentlich wichtigen Fragen im Rückblick auf dieses Jahr 2021 eh ganz anders heißen. An welche glücklichen Momente erinnere ich mich? Was hat mich Kraft gekostet? Was macht mich stolz? Wer waren meine Lieblingsmenschen? Worüber bin ich traurig? Wie habe ich mich verändert? Woran halte ich (mich) fest?

Auf diese Fragen kann nur ich selbst Antwort geben, niemand sonst. Vielleicht versuche ich das morgen, am letzten Tag dieses Jahres.