Es ist Montag früh. Ich prüfe, was diese Woche ansteht. Da ist die Arbeit: zwei Tage Büro, drei Videokonferenzen, ansonsten Homeoffice. Ich habe Übung darin. Keine Veranstaltung irgendwo in der Diözese, keine Fahrten durch Schnee und Eis, das passt. Daneben ein Zahnarzt-Termin, der muss einfach sein.

Was mir mehr Sorge macht, ist die anstehende Reha einer älteren Verwandten von mir. Sie ist schwer gestürzt und war eine Woche im Krankenhaus. Nun wird sie in eine Reha übersiedeln. Ihr Landkreis ist eine Hotspot-Region. Was immer Hotspot in diesen Tagen heißt. Die Zahlen variieren, der Hotspot von gestern, Inzidenz 50, scheint heute ein paradiesischer Zustand.

Die Informationen, wer wann in die Reha-Einrichtung zu Besuch kommen darf, fließen spärlich. Nur eine Person, dann auch noch die immer gleiche, eine Stunde pro Woche? Oder doch niemand, und wir dürfen nur Gepäck an der Türe abgeben? Mich gruselt es. Es ist Advent, und Weihnachten kommt. Schwer genug, in dieser Zeit aus allem Gewohnten herausgerissen zu sein. Nun auch noch auszuhalten, alleine zu bleiben unter fremden Menschen, ist unmenschlich.

In mir macht sich ein Gefühl breit, dass alles zusammenschrumpft. Vieles davon kann ich gut aushalten. Aber die Grenzen rücken näher. Keine Weihnachtsmärkte: kein Problem für mich. Keine Adventsfeier: gut zu verkraften. Die vollen Innenstädte meiden: geht für mich. Kaum Freundinnen und Freunde sehen im Moment: ist schwer, aber ich halte durch. Die Weihnachtsferien mit dem Kind verbringen ohne viele Kontakte: wir schaffen das. Die familiäre Weihnachtsfeier mit Abstand: machen wir. Der Weihnachtsgottesdienst auf der Kippe, weil die Plätze begrenzt sind: geht auch zur Not. Die Tante allein lassen müssen: ganz schwer zu akzeptieren.

Es kippt. Zugegeben: Bei vielen viel zu früh. Bei denen, die keine Lust haben sich einzuschränken, die lieber an ihrem selbstverliebten Treiben festhalten, als solidarisch zu sein. Aber irgendwann, das muss ich zugeben, da kippt es auch bei mir. Da geht die Kraft aus und die innere Bereitschaft, alles mitzutragen.

Die Not der Politik, irgendwie durch die Krise zu steuern, verstehe ich gut. Auch die Angst in den Krankenhäusern, es nicht mehr zu schaffen. Ohnehin sprechen die Corona-Todeszahlen gerade eine eindeutige Sprache. Die andere Seite ist der Geduldsfaden, den gutwillige Menschen noch aufbringen können. Irgendwo ist eine Grenze. Irgendwann mag ich nicht mehr. In Bayern wird diese Woche der Katastrophenfall ausgerufen, werden landesweite Ausgangsbeschränkungen verhängt. Baden Württemberg könnte bald nachziehen.

Es wird eng und einsam.

Ich raffe mich auf und steige in diesen Tag. Schritt für Schritt, ist die Devise. Ich überlege, was ich mir heute Gutes tun kann. Und wie es mir gelingt, das Prinzip Hoffnung nicht aus den Augen zu verlieren.

Geistliche Beirätin des KDFB Rottenburg-Stuttgart - Als Seelsorgerin frage ich in der Coronazeit nach dem, was uns in Krisenzeiten stützt und hält. Als Familienmama und neuerdings Homeschooling-Lehrerin mache ich neue Erfahrungen des Familienlebens. Ich teile meine Gedanken in diesem Blog, weil ich es kostbar finde, einander Anteil zu geben an dem, was uns in dieser besonderen Zeit bewegt.

One Comment

  1. Andrea Wilke 10. Dezember 2020 at 11:19

    Ein toller Beitrag. Ins Schwarze getroffen. Nichts schöngeredet und doch stärkend – es ist die Zuversicht, es g e m e i n s a m durchzustehen und die Hoffnung aufrechtzuerhalten (vor allem auch für die, denen die Hoffnungspuste gerade ausgeht oder auszugehen droht). Dankeschön!

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