Susanne Grimbacher schreibt:

Ich sitze mit Freund:innen am Flussufer, wir genießen unser Eis, die Sonne lacht vom wolkenlosen Himmel, wir beobachten verschiedene Wasservögel und spielende Kinder. „Ach, ist das Leben schön“, sagte ich mit halb geschlossenen Augen. Im selben Moment hören wir in der Nähe die Sirene eines Einsatzwagens. „Tja, halt nicht für jeden“, kommentiert mein Freund trocken.

Dieser Freund ist Pessimist und Misanthrop in einem und weshalb ich ihn so unfassbar gern hab, weiß ich manchmal selbst nicht. Jedenfalls hat er es geschafft, dass sich meine Stimmung verschlechtert, weil sich mein Blick weitet. Ich sehe nicht mehr nur unbekümmert spielende Kinder direkt vor mir, ich sehe auch den Mann mit Herzinfarkt, die verprügelte Frau und das vernachlässigte Kind vor meinem inneren Auge. Ich denke an die Opfer der Flutkatastrophe in Deutschland, die Opfer der Brände in Europa, die Opfer des Erdbebens in Haiti und die Opfer der Taliban in Afghanistan. Und wir wissen alle, dass ich diese Liste noch endlos fortsetzen könnte.

Wie kann ich in der Sonne liegen und das Leben genießen, wenn die Welt um mich herum im Chaos und Leid versinkt? Ich weiß es nicht.

Ich weiß nur, dass es der Welt nicht hilft, wenn ich am Leid der Welt zerbreche.  Keine Frage: Ich halte es für ein hohes Gut, die Augen nicht vor dem Leid zu verschließen, sondern Mitgefühl zu empfinden. Ich halte es für wichtig, mich im Rahmen meiner Möglichkeiten für andere einzusetzen. Ich möchte versuchen, die Welt um mich herum zu einem besseren Ort zu machen. Das kann ich aber nur, wenn ich Energie habe, wenn es mir gut geht.

Selbstfürsorge ist so gesehen nicht nur Selbstzweck. Manchmal muss ich mir selbst sagen, dass ich kein schlechtes Gewissen zu haben brauche, wenn ich die schönen Seiten meines Lebens genieße. Denn diese geben mir die Kraft, für andere da zu sein. Mein Leid bringt niemandem was. Mein Optimismus und mein Strahlen schon. Mein Lächeln kann Licht in das Leben anderer bringen.

Also schicke ich ein stilles Gebet nach oben und bitte für die Menschen, die einen Rettungsdienst benötigen. Dann beobachte ich weiter die friedlich spielenden Kinder und versuche mich an einem Lächeln. Ich kann nur das meine tun. Den Rest darf ich vertrauensvoll in Gottes Hände legen.

Ist das naiv? Habe ich eine andere Wahl?

 

Susanne Grimbacher ist Pastoralreferentin in der Diözese Rottenburg-Stuttgart und leitet dort die Projektstelle (Glaubens-)Kommunikation mit Jungen Erwachsenen. Gleichzeitig promoviert sie in Praktischer Theologie an der Universität Tübingen.