Die Vollversammlung der Weltunion katholischer Frauenorganisationen vom 14.–20. Mai 2023 in Assisi – ein Rückblick (Teil 2)

„Eine Kirche ohne Frauen ist keine synodale Kirche.“ Sr. Nathalie Becquart, Untersekretärin der Bischofssynode, eröffnet die Konferenz der World Union of Catholic Women’s Organisations (WUCWO) mit einem starken Statement. Sie denkt „Frauen“ dezidiert im Plural, wenn sie die Stichworte diversité (Verschiedenheit der Lebenserfahrungen), réciprocité (jede*r hat etwas zu geben und zu empfangen) und égalité (gleiche Taufwürde) hervorhebt. Auch bei den anderen Sprecherinnen ersetzt die Reziprozität der Geschlechterverhältnisse die bisherige Komplementarität, und sie wollen den Begriff des Dienens durch den der Sorge für den*die Nächste*n ergänzt wissen (auf Englisch sprechen sie von service und care). Wer Frauen als die besseren Menschen hervorhebt, so die einhellige Meinung der Referentinnen, festigt patriarchale Strukturen. Jede Teilnehmerin weiß und kennt, was gemeint ist.

Am zweiten Nachmittag treffen wir uns in unseren jeweiligen Sprachgruppen und sollen zu zehnt darüber diskutieren, welche Probleme uns in unseren Ländern beschäftigen und wie die WUCWO zur Lösung dieser Anliegen beitragen könnte. Cecilia, eine junge Delegierte aus Kamerun, schaut in die Runde und bestimmt sehr schnell: „Ich bin die Sekretärin, und Du“ – sie zeigt auf mich – „moderierst die Gruppe“. Das hat nichts mit meinen Kompetenzen und viel mit meiner Hautfarbe zu tun: Als weiße Frau und einzige Deutsche in dieser Runde bin ich anders als die mehrheitlich Schwarzen Kolleginnen ziemlich unbefangen, was die sozialen Hierarchien unter uns angeht. Mit dem Hinweis auf das Zuhören, das unabdingbar zu einer synodalen Kirche gehört, muss ich dann tatsächlich auf dem mehr oder minder gleichberechtigten Sprechen jeder Teilnehmerin insistieren, das offenkundig gar nicht so einfach ist. Und ich habe meine erste Lektion gelernt – Zuhören ist ein eminent politisches Handeln, denn es setzt voraus, dass gerechte Möglichkeitsbedingungen des Sprechens vorhanden sind oder geschaffen werden. Während die Frage, wer sprechen darf, soziale Unterschiede immer schon voraussetzt, ist es egalitärer, vom Zuhören auszugehen, das alle auf die gleiche Weise verpflichtet und zu Lernenden macht.

Es bedarf noch eines langen Lernprozesses, um – gegen tief verwurzelte kulturelle und kirchliche Muster – dem Zuhören wirklich den Vorrang zu geben. Kolleginnen aus allen Erdteilen fordern, an Entscheidungen in der Kirche beteiligt zu werden und dabei gehört zu werden. Und sie wehren sich dagegen, dass vor allem den Frauen das Hören zugedacht wird – in Familien und Ortskirchen gleichermaßen. Die Priester, so wünschen sie, sollten sich in Predigt und Katechese dafür einsetzen, dass auch Familien Orte des gleichberechtigten Zuhörens werden. Klerikalismus wird während der gesamten Konferenz offen angesprochen und mit zahlreichen konkreten Beispielen unterlegt.

Manchmal trennen uns Welten, zumindest will es so scheinen. Wichtige Anliegen des Synodalen Wegs in Deutschland wie der Zugang von Frauen zum sakramentalen Amt oder eine lehramtliche Neubewertung von Homosexualität würden gewiss nicht die ungeteilte Zustimmung aller Teilnehmerinnen erhalten. Dennoch sprechen einzelne Frauen aller Kontinente immer wieder diese Themen an, die auch in der vom World Women’s Observatory erstellten Umfrage genannt werden.

Die eine Weltkirche ist eine Kirche der Diversität, der unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Herausforderungen, das wird in Assisi immer wieder deutlich. Wir alle haben in diesen Tagen geahnt, wie eine synodale Kirche des Zuhörens, Lernens und der Solidarität aussehen könnte.

Dr. Regina Heyder ist Theologin und Kirchenhistorikerin. Sie arbeitet als Dozentin am Theologisch-Pastoralen Institut in Mainz. Seit 2014 ist sie ehrenamtliche Vorsitzende der Theologischen Kommission des KDFB, seit 2021 Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (AK Theologie, Pastoral und Ökumene).