Manches Unternehmen, das schon vor der Corona-Krise in Schieflage war, nimmt die Krise jetzt als Feigenblatt für zurückliegende eigene Fehlentscheidungen. In mancher Hinsicht ist es mit der Kirche ähnlich. Denn die Verluste, die wir in unseren Pfarrgemeinden erleben, sind ja schon lange vor Corona schmerzhaft erfahrbar geworden. Ich denke hier an die problematischen Entscheidungen rund um die Schaffung anonymer Großpfarreien, weil die Zahl der Priester als einziges Kriterium für die Gemeindebildung galt und gilt. – Über eine Gemeindeleitung durch beauftragte „Laien“ wird in vielen Bistümern nicht einmal nachgedacht! Lieber opfert man Pfarrgemeinden, die doch für viele Glaubensheimat waren.

Unsere schöne romanische Kirche St. Laurentius z.B. war Sonntag für Sonntag ausgesprochen gut besucht. Sie ist nicht besonders groß, unsere Kirche, zugegeben, aber sie war vielen Menschen selbstverständliche Heimat. Wer sonntags zu spät kam, musste oft nach einem Platz suchen. Das führte die gern gegebene Begründung für die Bildung anonymer Großpfarreien, es gäbe keinen Priestermangel sondern nur Gläubigenmangel, ad absurdum. Seit mehreren Jahren gehört unsere altehrwürdige romanische Pfarrkirche zu einer Großpfarrei, die sich gerade schon wieder weitere Gemeinden einverleibt und es kam, wie es kommen musste – wohlgemerkt: vor Corona! Erst wurde der Vorabendgottesdienst gestrichen, dann wurde entschieden, dass auch die lebendige Sonntagsgemeinde verzichtbar wäre ­ nur noch alle 14 Tage kann eine Eucharistiefeier stattfinden. Kein Zweifel, so gewöhnt man den Gläubigen den Kirchgang ab! Und andere trifft es noch ganz anders: Viele von Ihnen werden ein Lied davon singen können!

Wie kann man blühende Gottesdienstgemeinden sehenden Auges gefährden bzw. aufgeben?! Gemeinde bedeutet Gemeinschaft, das gilt für Kinder wie für Jugendliche wie für Erwachsene: Wie kann die gute Tradition eines Gottesdienst-Ortes, die wohltuende Beheimatung auch vieler Familien mit kleinen Kindern preisgegeben werden? Warum nicht bewährte und hoch engagierte Frauen oder Männer als Gemeindeleiter*innen berufen? Doch das Schweigen der Kirchenoberen ist dröhnend …

Dass unser Gemeindeleben – natürlich mit Verlusten – weiter einigermaßen vital blieb, ist vor allem einem Kreis von Männern und Frauen zu verdanken, die mit Wort-Gottes-Feiern die Kontinuität ein wenig erhalten konnte: Sie übernahmen komplett ehrenamtlich die zeitintensive und aufwändige Gestaltung von Wort-Gottes-Feiern, die nun alle 14 Tage angeboten werden, um Verlässlichkeit herzustellen und unsere Pfarrkirche ein Stück weit als Glaubensheimat zu erhalten.

Ich beschreibe das so ausführlich, weil mir die Corona-bedingte Minimalform, die wir nun wieder pflegen dürfen, wie die Verlängerung all der Verluste und Verletzungen vorkommt, die so vielen Gemeinden in den letzten Jahren zugefügt oder zumindest billigend in Kauf genommen wurden.

Die derzeitigen Corona-bedingten Verluste verstehe und akzeptiere ich, doch sie sind eben nur die extreme Fortführung der rigiden Zusammenlegungspolitik: Die Alten? Die Kranken? Die Besorgten und Ängstlichen? Vor Corona schon sind sie gewiss nicht ins Auto gestiegen, um sich eine andere Gottesdienstgemeinde zu suchen; in der Corona-Krise sind sie noch weiter abgehängt. Das ist nachvollziehbar, doch die Verluste vor Corona waren Folgen von Entscheidungen, die sehenden Auges getroffen wurden. Wir haben einen Spielraum, wir haben die Wahl, wir haben die Möglichkeit der Erneuerung: Engagieren wir uns, setzen wir uns ein für eine Kirche, die Gemeinde als Gemeinschaft begreift und deshalb die (Pfarr-)Kirche im Dorf lässt. Setzen wir uns ein für Erneuerungen im geschwisterlichen Geist Jesu. Denn nicht nur Corona leert die Kirchen ­ und: Corona ist keinesfalls an allem schuld!