Ich erinnere mich noch genau. Bei einem meiner vielen Berlin-Aufenthalte stehe ich gerade in einem Hotel in der Nähe des Hauptbahnhofs an der Rezeption. Auf der langen Bahnfahrt von Köln bis hierher hatte ich gerade in den Wochenendausgaben meiner Zeitungen viele Artikel zu Corona gelesen, diesem Virus in Wuhan, einer Millionenstadt in China, deren Namen ich bis dahin noch nicht einmal kannte. Gerade bin ich dabei, das Altpapier unter meinem Arm zu sortieren und bleibe mit meinem Blick noch einmal bei einem der Corona-Erklärbilder auf einer Titelseite hängen. Da geht plötzlich die Tür auf und aus einem Reisebus vom Flughafen steigt eine große Gruppe chinesischer Touristen aus und stürmt die Hotel-Lobby. Ich merke, wie ich zur Seite rücke und denke: „Na, nicht, dass Du dich hier noch ansteckst.“ Zum ersten Mal bringe ich „Corona“ mit mir und meinem Leben, mit uns hier in Deutschland in Verbindung. Wann war das? Gefühlt irgendwann im letzten Jahrhundert, tatsächlich Mitte Januar. Was ist seitdem alles passiert? Über Karneval muss ich dienstlich nach Nairobi reisen. Meine Eltern finden das unverantwortlich – nicht, dass ich mich in Afrika anstecke. Aber während ich weg bin, bricht Corona in Heinsberg aus, die ersten Infektions-Regelungen werden erlassen, zum ersten Mal taucht die Frage auf, was eigentlich mit den großen Fußballspielen sei. Die Antwort ist da aber noch eindeutig: die finden natürlich statt. Als wenn man Fußball ausfallen lassen könnte. Als ich 10 Tage später wieder in Frankfurt lande, sagt mein Mann: „Du wirst Dich wundern, aber Du kommst in ein anderes Deutschland zurück.“ Wann war das? Gefühlt auch viele Jahre weit weg. Wie harmlos war alles, was während meiner Abwesenheit passiert war, im Vergleich zu dem, wie es jetzt hier zugeht. Zurück bei AGIAMONDO, dem katholischen Personaldienst für Fachkräfte im Entwicklungsdienst, beginnt meine Bürowoche nach der Dienstreise mit der schwierigen Entscheidung, dass wir eine langgeplante, wichtige große Veranstaltung in EL Salvador schweren Herzens absagen müssen, Deutsche haben wegen Corona neuerdings Einreiseverbot. Fachkräfte, die sich zu Fortbildungsmaßnahmen zufällig gerade jetzt in Köln aufgehalten haben, können nicht zurück an ihren Einreiseort in Haiti oder werden damit konfrontiert, dass sie in Bethlehem oder Uganda erst zwei Wochen in Quarantäne müssen. Noch scheint unser größtes Problem, für alle Betroffenen eine Zwischenunterkunft zu organisieren. Wir reagieren leicht pikiert mit dem Unterton, so eine Unverschämtheit, wie gehen sie mit uns Deutschen um. Ein Unterton, den wir uns ganz schnell abgewöhnen müssen. Erstens sowieso, und zweitens auch und gerade in Zeiten von Corona.
Seit Karneval hat sich unser Land, unser Alltag, unsere Rechtsprechung, unser ganzes Leben in einer Weise verändert, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte. Und das ist alles nichts im Vergleich zu den Konsequenzen für viele Menschen rund um den Globus. Ich befürchte, diesmal wissen wir nicht, wann die „Passionszeit“ endet, aber wir können aus der Überzeugung leben, dass wir auf das große Ostern unserer Hoffnung zugehen. Davon sollten wir uns gemeinsam erzählen.
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