Wer kennt den Begriff „saufad“? Zu übersetzen vielleicht am ehesten mit „stinkelangweilig“, obwohl natürlich der Dialekt gegenüber einer Hochsprache immer an Nuancen verliert. Also, ich habe Haus und Garten, telefoniere mit Freunden und Bekannten, hab auch eigentlich genug zu tun – und bin doch arg gebeutelt. Nicht physisch, aber meine Seele. Sie lechzt nach analogem Austausch, nach der Spritzigkeit direkter Gespräche, nach Inspiration und gemeinsamen Aktionen.

Am Freitag war der 1. Mai, der Tag der Arbeiterrechte und der Friedensdemonstrationen. Abgesagt wegen Corona. Aber es findet vieles digital statt, hieß es. Mit vielen Tausenden von Clicks sollte man doch auch eine Gemeinschaft sein. Ebenso zwei Tage vorher, da war Tag der Diakonin. Die unverändert himmelschreiende Ungleichbehandlung von Männern und Frauen in der katholischen Kirche erfährt hörbaren Protest und das gemeinsame Auftreten vieler Organisationen – auch abgesagt. Auf digitalem Weg wird Ersatz gesucht.

Die Angst vor dem Virus hebelt gerade unsere Mühe um Gerechtigkeit und sozialen Ausgleich aus, sie wirft uns damit auch als Gesellschaft zurück. Häusliche Isolation wirkt fad, sie schmeckt mir nicht: ich fühle mich wie ein Huhn, das nur ein Ei zu legen hat und ansonsten „frei“ hat – nur, so mag ich nicht leben. Es ist fad, öde, langweilig. Steigerung saufad, weil ich als Mensch nicht vom Brot allein lebe. An diesem Brot allein sogar sterbe, weil die Gemeinschaft fehlt, Reibungswärme im Diskurs mit anderen, Spaß in der Gemeinschaft und geteilte Freude, wenn wieder ein Stück gemeinsamen Weges geschafft ist.

Das muss ich mir jetzt alles selber erarbeiten. Der Verband als Selbstvergewisserung, auf dem richtigen Weg zu sein, er fehlt mir. Und Angst befällt mich, sich am Ende gar an diese selbstgefällige Häuslichkeit gewöhnen zu können. Selber fad zu werden, uninteressiert, teilnahmslos, stinkelangweilig eben. Daran hatte ich früher beim Ruf nach mehr Digitalisierung nicht gedacht!