Es ist 6.00 Uhr. Mein Wecker klingelt. Mühsam steige ich aus dem Bett. Draußen ist es noch ziemlich dunkel, was mir zeigt, es ist Herbst. Und nun geht alles wieder los.

Heute ist bei uns der 1. Schultag nach den Sommerferien. Während ich im Bad die Zähne putze und anschließend unter die Dusche steige, wandern meine Gedanken zu den nächsten Tagen und Wochen. Die Unterbrechung des Schulalltags hat ein volles halbes Jahr eingenommen. Jetzt also gewöhnen wir uns wieder um: an das regelmäßige frühe Aufstehen, an das Richten des Schulvespers, an das hektische Frühstück und das Drängen, dass mein Sohn sich schnell richtet, weil gleich der Nachbarsjunge kommt, um ihn abzuholen. Ein bisschen bin ich aus der Übung, muss ich mir eingestehen.

Freue ich mich auf diese Normalität, die zurückkehrt? Durchaus! Ich merke, dass ich innerlich aufgeregt bin wie in all den anderen Jahren, gespannt auf den neuen Stundenplan, auf die neuen Fächer und die Infos aus der Schulgemeinschaft. Und ich bin froh, dass wir als Eltern entlastet sind. Schule heißt, dass unser Sohn seine Freunde und Schulkamerad*innen hat, um sich mit ihnen zu messen und auszutoben. Schule heißt, dass die Lehrer*innen zuständig sind, ob er etwas lernt oder nicht. Schule heißt, dass der Alltag wieder einen festen Rahmen hat, eine Struktur, an der sich alles andere ausrichtet. Das tut gut, mehr, als mir in früheren Jahren bewusst war.

Neustart also. Auch bei uns im Frauenbund geht der Alltag wieder seinen Gang. Letzte Woche beim Start im Büro habe ich gemerkt, dass sich die Zeit der vielen Videokonferenzen dem Ende nähert. Wir haben viele Veranstaltungen angepasst und in die Präsenzform gebracht. Ich freue mich und bin gespannt, wie das klappen wird.

Alles wieder normal also? Alles zurück auf LOS, wie es in der Monopoly-Sprache heißt, wenn die Spielfigur wieder auf das Startfeld geschoben wird? Nun ja… so stimmt es sicher nicht. Das „Normale“ untersteht Corona-Plänen, Hygienekonzepten, Infektionszahlen, die rauf und runter gehen. Wir haben uns inzwischen daran gewöhnt. Und wissen doch, dass alles fragil bleibt, unsere hochfliegenden Pläne, unsere Gesundheit, unser Bestreben, das frühere Leben zurückzugewinnen.

Insofern erlebe ich in meinem Inneren einen Mix aus freudiger Anspannung, banger Hoffnung und nüchternem Realismus, die es auszutarieren gilt. Und immer wieder meldet sich noch ein ganz anderes Gefühl in mir, etwas tiefer vergraben, aber beharrlich vorhanden. Es ist das Gefühl, dass wir nicht der Versuchung erliegen sollten, einfach wieder in den alten Trott zu fallen. Wo ist der Raum, so frage ich mich, dass wir die heilsamen Impulse der Corona-Zeit gut sichern? Wo ist die Achtsamkeit, dass wir nicht gleich wieder in blinde Betriebsamkeit eintauchen, sondern ein neues, entschleunigtes Tempo zur Regel machen? Wo ist die Zeit, dass wir die Erfahrungen und neuen Prioritäten hüten und einpflanzen in alles, was jetzt kommen mag?

Ich nehme mir vor, diesen Blick nicht zu vergessen. Und steige dann ein in den neuen, noch unbeschriebenen Tag.