Will ich noch zu dieser katholischen Kirche gehören? Soll ich bleiben oder lieber gehen?  Diese Frage haben sich in den vergangenen Jahren ziemlich Viele gestellt, vor allem viele katholische Frauen. Ich kann das sehr gut verstehen! Für mich selbst ist diese Frage aber tatsächlich bis heute nicht relevant. Ich kann gar nicht genau sagen, weshalb. Womöglich, weil ich selbst nie schlechte Erfahrungen gemacht habe, im Gegenteil. Ich habe viele engagierte, offene Priester erlebt, ich durfte als Mädchen schon 1980 ministrieren und im vergangenen Jahr habe ich miterlebt, dass der letzte Wille unseres Pfarrers ermöglicht wurde: Er hatte sich gewünscht, von einer Frau beerdigt zu werden.

Trotz allem habe ich irgendwann gemerkt, wie wenig ich eigentlich weiß über Theologie und Kirche und wie naiv ich jahrzehntelang die Institution Kirche betrachtet habe. Seit ich vor zehn Jahren begonnen habe, für die Kirche zu arbeiten, hat sich das geändert. Mein Blick ist viel kritischer geworden auf das, was schon immer so war. Und dann habe ich irgendwann den Frauenbund kennengelernt – und das hat mir die Augen geöffnet! Für Zusammenhänge und für biblische Frauennamen, von denen ich noch nie gehört hatte, wie Junia, Prisca oder Lydia. Für die Tatsache, dass es in der frühen Kirche auch Diakoninnen, Apostelinnen und Prophetinnen gab, die irgendwann aus dem Blickfeld der Kirche verschwunden sind.

Was ich sagen will? Vieles ist definitiv nicht gut in der Kirche, vieles muss sich dringend ändern, weil gegen Würde und Gleichberechtigung verstoßen wird, weil strukturelle Macht und Abhängigkeiten nie gesund sein können. Ich möchte trotzdem bleiben. Ich finde es auf eigenartige Weise traurig und aufregend zugleich, mittendrin zu sein. Zu beobachten, was aus unserer Kirche wird, wohin der Glaube entschwindet und wo er neu auftaucht. Und immer mal wieder irgendwo mit anpacken zu können.

 

Über all das habe ich in den letzten Wochen nachgedacht, nachdem ich das Buch „Wir bleiben! Warum sich Frauen nicht aus der katholischen Kirche vertreiben lassen“ gelesen habe. 17 Frauen erzählen darin ihre Geschichte mit dem Glauben und mit der katholischen Kirche. Prominente Politikerinnen wie Monika Grütters, Annette Schavan oder Andrea Nahles sind darunter, die Autorin Felicitas Hoppe oder die Kirchenkabarettistin Ulrike Böhmer. Eine sehr bereichernde Lektüre, die einen mal mit-leiden lässt, mal mit-nicken oder mit-schmunzeln und alles in allem inspiriert, dabei zu bleiben. Weil es sich richtig anfühlt und weil es wichtig ist!

… und weil ich als Journalistin das große Privileg habe, einfach beim Verlag anzufragen, ob ich mit einer der Autorinnen des Buches reden darf, habe ich das gemacht. Als Gesprächspartnerin habe ich mir Gerlinde Kretschmann ausgesucht, die Frau unseres Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg. Aber nicht deshalb. Denn sie ist keine „Frau von“. Das unterstreicht gerade ihr Beitrag im Buch eindrücklich. Für mich ist ihre Geschichte mit der katholischen Kirche deshalb so besonders, weil sie schon sehr früh als Kind gespürt hat, dass sie mit dieser Kirche nicht klarkommt; und dann als junge Frau konsequent entschieden hat, auszutreten. Dabei ist es aber nicht geblieben. Über 20 Jahre lang hat sie sich mit der Kirche auseinandergesetzt und hat dann, langsam und Schritt für Schritt, wieder zu ihr zurückgefunden. Vor 25 Jahren ist Gerlinde Kretschmann wieder eingetreten. Und jetzt will sie bleiben. Denn sie sagt: „Was hätte ich jetzt davon, wenn ich austreten würde? Das ist wie mit der Politik auch, ich kann doch nur Einfluss nehmen, wenn ich dabei bin.“

Ihre Geschichte hat sie mir am Mikrofon nochmals erzählt. Heute Morgen lief sie als Beitrag im Radio bei den SWR1 Begegnungen. Die gibt’s hier zum Nachlesen und Nachhören: Bleiben oder gehen? (14.05.2023) • SWR1 Begegnungen • Alle Beiträge • Kirche im SWR (kirche-im-swr.de)

 

Link zum Buch: Wir bleiben! | S. Hirzel Verlag

Journalistin, Patchwork-Mama und Öffentlichkeitsreferentin beim KDFB Rottenburg-Stuttgart - In der Corona-Zeit bin ich über Nacht wieder zur Vollzeit-Mama geworden und versuche Haushalt, Homeoffice und Hausaufgaben zu managen. Zwischendurch gibt’s Unterstützung durch meinem Partner - als Mediziner ist seine Anwesenheit in diesen Tagen aber noch ein bisschen unplanbarer als zuvor. Das, was mich bewegt in dieser neuen Zeit, möchte ich teilen; denn teilen heißt: sich näherkommen, einander begegnen. Das braucht es in diesen Tagen vielleicht mehr denn je.

2 Kommentare

  1. Hannah Ratermann 15. Mai 2023 at 12:52

    Ein spannender Bericht, der die Bedeutung von Freiwilligkeit bei der Entscheidung für die Kirche betont. Danke!

  2. Kerstin Knopf 19. Juli 2023 at 16:21

    Liebe Frau Pfann, nachdem ich zweimal (1984 und 2015) aus der Evangelischen Kirche ausgetreten bin ( Wiedereintritt war 1998) bin ich im Juni 2021 in die Katholische Kirche und im März 2023 in den KDFB eingetreten. Für mich ist hier alles neu und interessant. Und das tut gut. Bin jetzt 60 Jahre alt. Kerstin Knopf, Mühlschlag bei Kallmünz

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