Seit gestern halte ich das Buch „Weil Gott es so will“ in Händen. Herausgegeben hat dieses Buch die eindrückliche Benediktinerin Sr. Philippa Rath aus der Abtei St. Hildegard in Rüdesheim-Eibingen, die auf dem Synodalen Weg allen ins Gewissen spricht und einen angstfreien Diskurs über alle tabu-beladenen Themen einfordert. Im Frühjahr 2020 hatte sie einige Frauen gebeten, ihr persönliche Zeugnisse über ihre Berufung, die sie in der Kirche nicht leben können, zuzuschicken. Sie wollte sie in das Frauenforum des Synodalen Wegs einbringen. Innerhalb von fünf Wochen hielt Sr. Philippa 150 Frauen-Berufungsgeschichten in Händen.
Daraus ist ein Buch geworden. Die fast 300 Seiten des Buchs sind eng bedruckt, die Texte quellen gleichsam aus dem Buch heraus. Was lange verschwiegen wurde, oft genug aus Scham, drängt sich ans Licht. Dabei sind es nur exemplarische Zeugnisse, denn ohne Mühe wären weitere Hunderte zusammengekommen, wenn nicht ein Buch Grenzen hätte.
„Weil Gott es so will“ – der Titel ist eine Provokation. Der lautstarken Begründung der Amtskirche, dass Gott die Berufung von Frauen in ein geistliches Amt nicht will, setzen die Autorinnen ihre ureigene Erfahrung entgegen: Gott will – nur die Kirche will nicht!
Ich schaue auf den orange-roten Einband, der eine stilisierte Taube zeigt. Mein Herz klopft. Auch meine Geschichte ist im Buch enthalten. Lange habe ich mir überlegt, ob ich sie aufschreibe. Es ist ein Schritt aus der Deckung, der mich angreifbar und verletzlich macht. Wer wird mein Bekenntnis lesen? Mit welchen Gedanken, mit welchem Urteil? Wie viel Infragestellung, Mitleidigkeit, Skepsis, Herablassung, Ablehnung wird mich erreichen? In welchen Schubladen werde ich landen? Noch weiß ich es nicht.
Ich bin dem Aufruf von Sr. Philippa gefolgt, weil ich tief in mir spüre, dass wir Frauen endlich das Tabu um unsere betrogenen Berufungen beenden müssen. Warum verstecken wir uns so sehr? Vermutlich, weil die Kirche beharrlich die Zweifel ausgesät hat. Sie hat uns eingeredet, dass wir uns etwas anmaßen, wenn wir eine Berufung in uns wahrnehmen, die die Kirche ablehnt. Doch ich möchte das nicht mehr glauben. Wann, wenn nicht jetzt, ist die Zeit reif dafür einzustehen, dass der Ämterausschluss von Frauen in der Kirche keine abstrakte Strukturfrage ist, sondern ganz konkreten Frauen ihren von Gott entworfenen Weg abschneidet?
Wir werden betrogen. Aber eigentlich betrügt die Kirche vor allem sich selbst. Sie leistet es sich, eine Fülle an Begabungen, an weiblichen Charismen, an seelsorgerlicher Kompetenz von Frauen zu verschwenden. Das zeigt das Buch auf. Niemand mehr kann jetzt sagen, das hätte er nicht gewusst.
Ich fange an im Buch zu lesen. Jede Frau hat Kostbares aufgeschrieben, das von Gottes Geistkraft zeugt.
Liebe Frau Schmidt, Danke für Ihren Beitrag und den Hinweis auf das Buch! Sie sprechen mir aus der Seele nach 40 Jahren im pastoralen Dienst und nun intensiver geistlicher Begleitungstätigkeit. Mögen wir Energie und Mut behalten den Finger in die immer größer werdende Wunde zu legen. In diesem Sinne Ihnen und uns allen viel Mut und Kraft!
Ich finde es großartig, dass Sie sich aus der Deckung gewagt haben! Und ja, dadurch wird man angreifbar, verletzlich – und womöglich auch als ganze Person in Frage gestellt. Aber genau darin liegt gleichzeitig die Chance: Sich jetzt zeigen, hinstehen und bereit sein, Antworten zu geben. So wie im Petrusbrief: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen,
der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt!“ … Ich glaube, die Zeit für weibliche Hoffnungszeugnisse, vor allem für öffentliche Zeugnisse, ist mehr als reif!
Sehr geehrte Frau Schmidt,
es ist gut, dass Sie und viele weitere Frauen in die erste Reihe treten und sich für die längst überfällige Gleichstellung in der Kirche mutig und tatkräftig einsetzen und so dafür sorgen, dass die unguten Machtstrukturen aufgebrochen und die Katholische Kirche grundlegend gewandelt und erneuert wird.
Mögen Ihnen viele Menschen folgen und Ihr Anliegen unterstützen. Der heilige Geist wirkt.
Mit freundlichen Grüßen
Claudia
Liebe Claudia,
Deinen Beitrag im Buch habe ich – noch- nicht gelesen, dass Du in dem Buch vorkommst freut mich und ich beglückwünsche Dich und uns zu Deinem Mut. Dich weil Du zu Dir und Deiner Meinung öffentlich stehst und Dich zeigst und uns, weil wir von Dir und allen Frauen lernen und erfahren: Es gibt die Frauen und Schwestern unter uns, mit denen wir den Weg zu einer anderen Kirche gehen können und hoffentlich bald werden. In dieser Männerkirche fühle ich mich zu keinem Amt berufen. Also hoffe ich auf eine geschwisterliche Kirche mit neuen, evangeliumsgemäßeren Formen und Riten.
Herzlich
Gabriele
Liebe Gabriele,
du sprichst etwas Wichtiges an: Wenn die Kirche Frauenberufungen anerkennt, brechen viele Fragen auf. Die kirchlichen Ämter sind jahrhundertelang von Männern geprägt. Ein solches Amt einfach zu übernehmen, können sich viele Frauen des Buches (auch ich) nicht vorstellen. Wozu ruft Gott wirklich? Wofür braucht es überhaupt ein Amt? Warum ist der seelsorgerliche Dienst in unserer Kirche mit dem Machtanspruch verknüpft? Welche spirituellen Formen, welche gottesdienstlichen Feiern nähren Menschen? Wie bekommt das diakonische Handeln mehr Gewicht in der Kirche? Diese und viele weitere Fragen stehen im Raum. Frauen müssen gleichberechtigt mitberaten und mitentscheiden, wie sie beantwortet werden.
Herzliche Grüße, Claudia
Genau diese Fragen beschäftigen mich auch:
Wozu ruft Gott wirklich? Wofür braucht es überhaupt ein Amt? Warum ist der Seelsorge- Dienst mit dem Machtanspruch verknüpft? Welche spirituellen Formen, was für Gottesdienst-Feiern nähren Menschen?