Der Rassismus-Vorwurf von Prof. Johanna Rahner zieht Kreise. Er fand statt auf dem digitalen Frauenforum unserer Diözese Rottenburg-Stuttgart am letzten Samstag und sorgt für große Aufregung.

Was genau ist passiert? Johanna Rahner benutzte in ihrem Impulsreferat über Leitung und Macht in der Kirche eine Analogie. Sie verglich die Diskriminierung von Frauen in der katholischen Kirche mit rassistischer Diskriminierung von Menschen. Wer nicht Flagge zeige und aktiv für die Gleichberechtigung von Frauen eintrete, sei wie ein Rassist, sagte sie.

Starke Worte. Die prompt heftigen Widerspruch hervorriefen. Bischof Oster fordert verbale Grenzen im Diskurs und die Treue zum Lehramt ein. Das habe in Sachen Frauen bereits endgültig entschieden. Dass Herr Oster gleichzeitig die unabhängige theologische Forschung infrage stellt und nebenher der freien Pressearbeit von katholisch.de am liebsten den Geldhahn zudrehen möchte, ist eher ein bischöfliches Eigentor. Jedenfalls hat spätestens jetzt eine hitzige Diskussion begonnen.

Ich selbst schaue fasziniert auf diesen Vorgang. Da fühlt sich ein Bischof –der im Übrigen in der Vergangenheit drastische Worte nie gescheut hat- auf den Schlips getreten und schlägt um sich. Für mich ist das ein Zeichen, dass Frau Rahner vieles richtig gemacht hat. Ihre Analogie ist schonungslos und führt aus der oft lauwarm und halbherzig geführten Debatte heraus. Endlich sind alle wach!

Sicherlich kann man sich streiten, ob der Vorwurf des Rassismus begrifflich passgenau ist. Aber darum geht es gar nicht. Es geht darum, dass Diskriminierung, egal ob aufgrund des Geschlechts, der Hautfarbe oder was auch immer, nie und nirgends akzeptabel ist. Unser Kirchenrecht ist mit dem Grundgesetz schlicht nicht vereinbar, und das muss sich laut der Tübinger Professorin schleunigst ändern. Damit legt sie den Finger in eine schwärende Wunde. Aber damit nicht genug. Frau Rahner geht noch einen Schritt weiter, der manchem kirchlichen Verantwortungsträger vermutlich nicht schmeckt. Denn sie macht unmissverständlich klar, dass sich niemand abwartend oder neutral zu einer Diskriminierung verhalten kann. Auch wer nichts tut, bezieht Stellung. Das ist wie beim rassistischen Witz, sagt Johanna Rahner. Wer nicht dagegen einschreitet, ist ein Komplize.

So provokativ klar hat das bisher noch niemand ausgedrückt. Ich bin beeindruckt und bewegt. Für mich ist in der Rückschau die brillante Analyse von Prof. Rahner der Höhepunkt des Frauenforums. Und ich weiß, vielen anderen geht es genauso. Dementsprechend enttäuscht sind wir über das Ergebnis des Tages. Unser Bischof bietet an, sich erneut für ein Frauendiakonat einzusetzen und mit Frauen zu reden, die sich zur Diakonin oder Priesterin berufen fühlen. Unbedingte Solidarität mit den Frauen, entschlossenes Handeln für ihre Gleichberechtigung geht anders.

Im Grunde macht Frau Rahner allen Zauderern und Zögerern vor, was es heißt, sich mutig in den Wind zu stellen. Ihre Maxime ist die Wahrheitsfindung. Sie ist nicht dem Lehramt verpflichtet, sondern ihrem Gewissen und dem Erkenntnisgewinn, den sie allen zur Verfügung stellt, bischöfliche Rügen inbegriffen. Das nenne ich Frei-Mut. Chapeau!