Wir waren gestern wandern. Bei schönstem Sonnenwetter versuchten wir uns an einer Rundwanderung im Remstal. Dort, wo letztes Jahr die Landesgartenschau ihre Pforten geöffnet hatte, sind immer noch schöne Wege ausgeschildert, die mit vielen lauschigen Plätzchen und Aussichten locken. Viele andere Wanderlustige waren mit uns unterwegs, und auch mit Scharen von Radfahrern teilten wir zeitweise unseren Weg.

Auffallend war die Sorglosigkeit, mit der viele schon wieder unterwegs sind. An jeder Ecke fielen mir Grüppchen von Menschen auf, die wie gute alte Bekannte wirkten, die sich gerade getroffen haben. Sie standen dicht auf dicht und plauderten vertraut. 1,50 m Abstand? Fehlanzeige. An einer Eisdiele gab es eine lange Schlange. Menschen drängelten. Niemand trug eine Maske, auch die Eisverkäuferin nicht, die dicke Kugeln Eis auf Waffeln schaufelte.

„Ist alles wieder gut?“, frage ich mich, wenn ich solche Szenen sehe, und spüre ein mulmiges Gefühl in mir. Denn ich traue dieser Sorglosigkeit nicht. Empfinde, dass unsere wiedergewonnene Freiheit, die auch ich sehr genieße, fragil ist. Und dass es an uns allen liegt, sie nicht wieder zu verspielen. Nicht auszudenken, was passiert, wenn die Beschränkungen wieder hochgefahren werden müssen.

Schon jetzt wird der legitime Protest von besorgten Menschen und von Leidtragenden der Krise durch extremistische Kreise und seltsame Verschwörungstheoretiker schamlos ausgenutzt, um die Stimmung zu kippen. Einmal neu scheint es leicht, mit dem Finger auf vermeintlich Schuldige zu zeigen und die Krise mit einfachen Antworten wegzureden. In Stuttgart kommen an jedem Wochenende mehrere Tausend Menschen in dieser Manier zur Demo, so auch am letzten Samstag.

Mich beunruhigt diese Entwicklung. Mir wird klar, wie sehr es gerade jetzt den Zusammenhalt der Redlichen braucht, die dagegensetzen und die bereit sind, weiter auf dem Weg der Solidarität zu bleiben, um die Pandemie auf lange Sicht einzugrenzen. Natürlich spüre auch ich, dass mir das viel Geduld abfordert. Ich bin unglücklich mit der ungewissen Perspektive der Schulöffnung für unseren Sohn. Ich schiele wie viele andere bang auf unseren Sommerurlaub. Ob wir verreisen können wie geplant? Und ich warte sehnlich darauf, Familienangehörige, Freundinnen und Freunde wieder unbeschwert sehen zu können. Aber dennoch möchte ich mit viel gutem Willen, mit Vertrauen in die Entscheidungsträger und mit Flexibilität meinen Teil dazu beitragen, dass wir diese Krise meistern können.

Und ich empfinde –allem lauten Protest zum Trotz- dass unsere Politikerinnen und Politiker angesichts der riesigen Herausforderungen und Unwägbarkeiten alles in allem einen guten Job machen. Vielleicht ist es wichtig, das in diesen Tagen auch einmal auszusprechen.