Erinnern Sie sich noch an den Lockdown im Frühjahr? Als öffentliche Gottesdienste verboten waren? Manche haben damals ihre Sonntagsmesse vermisst, haben vielleicht Live-Übertragungen als Ersatz geschätzt. Manche haben gemerkt, dass ihrem Sonntag ohne Messe nichts Wichtiges fehlt, sie werden wohl wegbleiben. Manche haben neue Formen entdeckt oder entwickelt, am Sonntag Gottesdienst zu feiern, z.B. in der Familie oder digital. Ich gehöre klar zu letzteren und habe darum das Streben „zur Ordnung zurück“ mit gemischten Gefühlen gesehen.

Als im Frühsommer öffentliche Gottesdienste wieder möglich wurden, bin ich trotzdem durchaus gerne zur Kirche gegangen. Eine Stunde im andachtsfreundlichen Kirchenraum mit besonders sorgfältiger musikalischer Gestaltung. Wenigstens ein paar der Menschen wiedersehen, mit denen ich gerne Gottesdienst feiere.

Aber mittlerweile habe ich darauf immer weniger Lust. Ich will schöne Gottesdienste feiern! Ich wünsche mir mehr Gemeinschaft, mehr Beweglichkeit und Aktivität, mehr Kommunikation – im Singen, im Beten, im Essen. Manches davon ist der Ansteckungsgefahr während der Pandemie geschuldet: munteres Gedränge vorne bei der Kommunionspendung – geht halt derzeit nicht, völlig klar. Gemeinsames Singen ging zwischendurch mal, geht jetzt wieder nicht mehr, ok. Aber die versammelte Gemeinde, die ja die eigentliche Trägerin der Feier ist, ist durch diese Beschränkungen derart auf Passivität festgelegt, dass ich mich frage, wie sie da noch tragen können soll. Vielmehr erhält durch das Ausbremsen der Gemeinde die Rolle des Zelebranten noch mehr Übergewicht, als sie durch Leitung, spezielle Kleidung und größte Redeanteile inkl. Mikrofon ohnehin schon „vor Corona“ hatte. Außerdem muss allein der Zelebrant nicht die ganze Zeit über die lästige Maske tragen, obwohl es sie längst in liturgischen Farben passend zum Messgewand gibt. Er sei dann besser zu verstehen? Schön und gut, aber warum sollten im Gottesdienst nur seine Worte so wichtig sein, dass sie gut zu hören sein müssen?!

Letztlich ist die Gestalt der Gemeindemesse nicht nur „wegen Corona“ hinsichtlich Rollen- und Machtverteilung zu überdenken. Denn seit Jahrzehnten sinkt die Zahl derer, die zu den Gottesdiensten kommen, während der Altersdurchschnitt offensichtlich steigt. Das mag viele Gründe haben – mangelnde Möglichkeit zur Mitgestaltung, teils langweilende oder lebensferne Predigten sowie fehlender Dialog gehören gewiss dazu. Über eine der Kirchen meiner Pfarrei sagt eine Dame der Generation Ü70, die dort u.a. als Lektorin Dienst tut: „Das ist doch – tot da.“ Und: „Der Gemeindegottesdienst ist sowas von durch. Überall“, meint im Vertrauen sogar eine Pastoralreferentin aus meinem Bekanntenkreis.

Warum ist nicht mehr Kreativität möglich?! Statt einer frontalen Predigt könnten wir dialogische Formate erproben, um mit dem Evangelium und miteinander ins Gespräch zu kommen. Liturgische Care-Pakete, wie sie zur Feier der Heiligen Woche während des Lockdowns mancherorts ausgeteilt wurden, sind anscheinend wieder verschwunden. Schade, denn die erzwungene Dezentralisierung hat viel spirituelle (Selbst-)Ermächtigung bewirkt! Hausgottesdienste feiern manche noch – ausgerechnet jene treffe ich dadurch leider nicht in der Gemeindemesse, der Austausch fehlt. Vielleicht könnte man sich ja mal zu zwei Haushalten treffen? Vielleicht eine Videokonferenz verabreden, um Erfahrungen zu teilen? Vielleicht zu Gottesdiensten vor den Kirchentüren einladen inspiriert von Maria 2.0 – unter freiem Himmel könnte auch gemeinsames Singen möglich sein. Meine Ideenliste füllt sich also. Ich hoffe, ich kann etwas davon auch in eine To-do-Liste überführen und zur Erneuerung meiner Gemeinde beitragen.