Ich gehe gerade täglich spazieren. Irgendwie bilde ich mir ein, dass ich damit meine Gesundheit nachhaltig stärke. Vielleicht ist es auch so. Frische Luft und Sonne kurbeln das Immunsystem an. Und nicht zu vernachlässigen: Spazierengehen hebt die Stimmung. Das ist wichtig in diesen Zeiten.

Auf meinen Wegen denke ich manchmal an mein Studienjahr in Innsbruck zurück. Wie viele Wege sind wir da gewandert, wie viele Gipfel haben wir erstürmt! Und ich merke, dass so eine Gipfelwanderung im Moment ein gutes Bild für mich ist.

Beim Gipfelwandern liegt ein großer Berg vor mir. Es wird viel Mühe kosten, ihn zu erklimmen. Es wird jede Menge Schweiß fließen, das ist gewiss. Aber die Kunst ist nicht, möglichst schnell hinaufzukommen. Die Kunst besteht darin, einen eigenen Rhythmus beim Gehen zu finden. Schritt vor Schritt zu setzen. Nicht zu weit vorauszudenken an das, was noch an Anstrengung bevorsteht. Sondern gemächlich und stetig zu gehen und immer bei Atem zu bleiben.

Diese Wandererfahrung hilft mir in der Coronazeit. Es geht nicht um große Sprünge. Es geht darum, treu das heutige Wegstück anzugehen. Und durchzuhalten. Auch dann, wenn noch keine nennenswerte Etappe geschafft ist. Auch dann, wenn das Ziel noch weit entfernt liegt, verborgen im Nebel der Unsicherheit.

Einige schlaue Menschen versuchen seit ein paar Tagen, den Weg einfach abzukürzen. Schon jetzt reden sie von den Lockerungen der Ausgangsbeschränkungen, die bald kommen werden. Manchen mag das helfen. Mir hilft es nicht. Im Gegenteil: Es bringt mich aus dem Tritt. Die Hoffnung ist verführerisch, aber sie trügt.

Daher versuche ich, gut bei mir zu bleiben, bei dem, was heute dran ist. Ich habe schon ein bisschen Übung gesammelt, Routine sozusagen. Ein Familien-Tagesablauf der Coronazeit gibt Halt. Ich weiß nicht, was morgen sein wird. Ich muss es aber auch gar nicht wissen. Der Weg entsteht im Gehen – Schritt für Schritt.