In dieser Woche darf ich in SWR4 wieder die Abendgedanken sprechen – es ist für mich tatsächlich ein „dürfen“, eine ebenso bereichernde wie herausfordernde Aufgabe. Die Suche nach Themen dafür läuft das ganze Jahr, immer wenn mir ein interessanter Gedanke kommt, wenn ich einen guten Text lese oder ein schönes Zitat finde, wird das notiert und in meinem Ideen-Ordner gesammelt. Drei bis vier Wochen vor den Sendeterminen schaue ich dann: was ist im Moment aktuell, auf welche Themen weist der Kalender oder ein Jahrestag hin oder passt vielleicht eine meiner zeitlosen Ideen. Dann beginne ich zu schreiben. Für den heutigen Tag, den 8. Dezember, hat mich der Kalender inspiriert, bzw. der kirchliche Gedenktag mit offiziellem Namen „Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“. Denn über diese „Behauptung“, Maria wäre ohne Sünde und jungfräulich Mutter geworden, bin ich schon in meiner Jugend immer wieder gestolpert und wusste nie recht, was ich davon halten sollte. Bis unser Pfarrer damals in einer Predigt gesagt hat: „Ob Maria jungfräulich war? Das interessiert mich nicht. Es geht uns auch nichts an. Wir haben heute weit wichtigere Themen zu besprechen. Ich jedenfalls verehre die Mutter Gottes, aber einen Kult um sie machen, wie es in manchen Wallfahrtsorten geschieht – nein, da graust es mir. Bei Maria halte ich es mit den Worten von Meinrad Limbeck, der sagt: ‚Ich bin diese Maria! Ich bin ein Hörender auf Gottes Wort. Ich bin dieses Maria, der, wie sie, Jesus in seinem Inneren trägt. Maria wurde Mutter Jesu unter dem Kreuz ihres Kindes‘.“

Von diesem Moment an war mir Maria viel näher. Ich konnte sie mit anderen Augen sehen, sie war eine von uns. Und diese Worte zu Maria sind nun Pate gestanden zum heutigen SWR-Beitrag „Jungfrau ohne Erbsünde?! Maria tut gut, gerade in diesem Jahr!“.

Weil ich denke, dass der Text ganz wunderbar zu uns und zu allen Frauen passt, teile ich ihn an diesem 8.12. auch hier auf dem Blog:

 

Heute denkt die katholische Kirche an Maria, an die Mutter von Jesus. In Österreich ist der 8. Dezember sogar ein Feiertag. Ganz offiziell heißt dieser Tag heute: »Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria«. Was kompliziert klingt, ist eigentlich ganz einfach: Die katholische Kirche erklärt es so: Jeder Mensch, der geboren wird, kommt mit der Erbsünde zur Welt – und wird deshalb im Laufe seines Lebens immer wieder schuldig. Außer Maria. Sie wird ohne diese Sünde geboren. Gedeutet wird es so: Gott braucht wenigstens einen Menschen, auf den er sich in dem Chaos der Welt hundertprozentig verlassen kann. Dazu hat er Maria erwählt. Sie bleibt frei von Schuld und Sünde und kann deshalb ganz frei sein für Gott. Sie stellt ihre eigenen Interessen zurück und hört ganz auf Gott. Vor allem in dem Moment, als es drauf ankommt: Sie glaubt dem Engel, der ihr verkündet, dass sie ein Kind bekommt. Sie stimmt zu – „mir geschehe, wie Du gesagt hast“. Und sie scheint keine Angst zu haben vor dieser unfassbar großen Lebensaufgabe, die Mutter von Gottes Sohn zu werden.

Ob Maria jetzt tatsächlich ohne diese Erbsünde geboren wurde und ob sie bei der Geburt von Jesus tatsächlich noch Jungfrau war – das spielt für mich keine Rolle. Entscheidend ist: Maria hat Ja gesagt zu dieser Situation, sie steht zu dem Kind. Und Josef steht zu Maria. Beide kümmern sich – umeinander und um das Kind, das ihnen, wie auch immer, geschenkt ist. Sie nehmen sich und all die Umstände an, ohne Vorwürfe, ohne zu hinterfragen. Dabei hatte sicher auch Josef ganz andere Pläne für sein Leben.

Mit dieser Maria, mit dieser kleinen Familie ohne Trauschein, mit der kann ich mich gut anfreunden. Weil ihr Leben alles andere als heil und „heilig“ ist. Von Anfang an: Da gibt es kein vorbereitetes Kinderzimmer, sondern den Stall unterwegs. Wenige Tage nach der Geburt müssen die drei schon wieder aufbrechen, einen anderen Weg nehmen als geplant. Sich wieder neu einlassen auf die Situation. Mit dieser Frau und Mutter leide ich mich mit, wenn sie ihren pubertierenden Sohn nach tagelanger Suche im Tempel findet. Trotz allem steht sie hinter ihm, bleibt ihm nahe. Bis zum Ende. Sie muss sogar den Tod ihres Sohnes aushalten.

An diesem Marien-Gedenktag heute denke ich an alle Frauen, die, wie Maria, nicht viele Worte machen. Die leben, die leiden und kämpfen, die sich einlassen und Kinder auf die Welt bringen. Die Entscheidungen treffen, handeln, durchhalten und wieder von vorne beginnen. Ich hoffe und wünsche mir, dass dies alles immer wieder gelingt – mit Gottvertrauen. Erst recht in diesem Jahr.

Kirche im SWR – Beitrag in SWR4 Abendgedanken vom 8. Dezember