Ein sonniger Septembertag, blauer Himmel, weiße Wölkchen. Die Farbe Weiß, mit der wir uns, der Bitte der Einladenden folgend, auf die Räder geschwungen haben, scheint also wettertechnisch ganz passend. Trotzdem schauen uns entgegenkommende Fußgänger oder Fahrradfahrer neugierig an: Claudia Michel-Lücking trägt allerdings in bester Frauenbundtradition auch einen (Sonnen-)Hut, das fällt natürlich, in Kombination mit der weißen Kleidung, auf. Zusammen mit zwei befreundeten Frauen aus unserer Gemeinde bin ich unterwegs zur „Geschwisterlichen Mahlfeier“, die an diesem sonnigen Sonntagnachmittag auf dem Bonner Münsterplatz stattfindet. Maria 2.0 Rheinland hatte gemeinsam mit den Kölner Diözesanverbänden der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands und des Katholischen Deutschen Frauenbunds dazu eingeladen.

Viele Tische mit weißen Tischtüchern stehen auf dem sonnendurchfluteten Münsterplatz, weiß gekleidete Menschen stehen erwartungsfroh im Gespräch zusammen. Uns alle verbindet die Hoffnung auf eine echte Erneuerung der Kirche. Regina Illemann sagt in ihrem Statement vor der Mahlfeier: „Wir stehen in einer guten Tradition! Mit der „Tradition“ wird ja gern begründet, warum Dinge angeblich so bleiben müssen, wie sie sind.“ Doch sie erinnert an die „unterbelichtete“ und oft totgeschwiegene Tradition der „Jüngerinnen Jesu: an die Apostelin Maria von Magdala und an all jene Frauen, die die Bibel als Zeuginnen von Tod und Auferstehung Jesu nicht verschweigen konnte“.

Nach diesen stärkenden Worten vor der eigentlichen Mahlfeier gehe ich schnell zum Postamt am Münsterplatz, ich will noch zwei Briefe einwerfen; nur ein paar Schritte sind es dorthin. Dadurch habe ich plötzlich den Blick von außen: Wie werden wir wahrgenommen? Was ist das für eine Gruppierung, was wollen die – wir? Was können wir bewirken? Gut 200 Menschen, auch Männer, sind gekommen, um in der Mahlfeier Stärkung zu erfahren, um sich zu solidarisieren, um dem Vergessen und Verdrängen etwas entgegen zu stellen: sich.

„Business as usual“, so zu tun, als ob nichts gewesen sei, zurück in klerikale Strukturen zu gehen, in ein männliches Machtgefüge, das vielfach kein Interesse hat, den Machtmissbrauch wirklich anzugehen, ist immer mehr Menschen nicht mehr möglich. Es geht um das eigene Gewissen: Was trage ich mit? Gerade wurde wieder aufgedeckt, wie massiv auch das Bistum Münster über Jahrzehnte mithalf, die Missbrauchstaten im Bistum Hildesheim zu vertuschen, wo die Fürsorge der Bistumsleitung ebenfalls stets den Tätern galt, die durch Vertuschung und Versetzung vor Strafverfolgung geschützt werden sollten. Es wird nirgendswo anders gewesen sein: Betroffene wurden ignoriert oder mundtot gemacht. – Und doch formieren sich aktuell die mauernden und verhindernden kirchlichen Kräfte neu, sie präsentieren sich ungerührt und selbstgewiss auf neuen Plattformen, wohl ausgestattet mit Macht und Geld.

Wenn ich ehrlich bin, spüre ich bei mir selbst Ermüdung, ein Zweifeln an der Möglichkeit, die biblischen Ziele der Geschwisterlichkeit erreichen zu können. Das Bonner Münster, auf das viele während der Mahlfeier schauen, ist verhüllt und eingerüstet. Es wirkt kalt und abweisend, trotz des hellen Septemberlichts wie eine Festung. Kein Amtsträger, kein Priester ist gekommen, um den Dialog zu suchen. Eine von Missbrauch betroffene Frau beschrieb in dem Buch „Erzählen als Widerstand“ die Kirche als „tür- und fensterlose Festung“, vor der sie mit ihrem Leid wieder und wieder abgewiesen wurde.

– Trotz der klaren und guten Worten, die an diesem heiteren Septembernachmittag zu hören sind, trotz der Erfahrung tiefen Glaubens, Hoffens und Liebens, manchmal gegen alle Hoffnung, radele ich gedämpft und nachdenklich nach Hause.