Corona hält mich und wohl uns alle fest: in Atem, in Angst, in sozialer Beschränkung, in steter Sorge um uns und unsere Lieben. Alles dazu ist geschrieben und gesagt – und doch spüre ich jeden Morgen die bange, tiefsitzende Ungewissheit, wie all das nur enden soll. Ich schaue mich im begrenzen Raum meines Corona-Daseins um: tatsächlich gibt es auch viel Geschafftes, aus dem im Moment Gelassenheit, vielleicht sogar Stolz erwachsen könnte. Das Leben vor dem 13.3.20 war hektisch, aufregend, fordernd. So viel ist im Eifer der Gefachte liegengeblieben, manches sogar durch die Lappen gegangen. Ich habe inzwischen ein Jahr lang Zeit gehabt: meinen Schreibtisch abgeräumt, Bücher in den Regalen doppelt gefunden, hochinteressante Vorträge, Studien und Statements noch einmal gelesen, dabei viel an Erkenntnis für mich dazu gewonnen.

Etwa, dass ich schon vor 30 Jahren impulsive Dispute mit Priesteramtskandidaten zur Weihe hatte – der bevorstehenden von denen und die für Frauen vorgeblich nicht mögliche. Dass 1982 – damals noch – Kardinal Ratzinger von der Kirche als Modell partnerschaftlichen Zusammenwirkens von Frauen und Männern sprach. Ich entdeckte neu, welche Mühe ich mir um meine Grundschüler vor Kommunion und Firmung gab, wie schön die Kleinkindergottesdienste waren, welche Freude es machte, mit all den Ehrenamtlichen Konzepte für eine lebendige, moderne Pfarrei zu erproben. Abenteuer, Wagnis, Kampf, Unbeweglichkeit und Lähmung – alles lag sauber irgendwo am Schreibtisch und in Ordnern konserviert. Wofür? Es war mir so sehr ans Herz gewachsen; unmöglich, etwas davon zu „entsorgen“.

Das letzte Jahr nun konnte ich mich von vielem trennen, ohne Bedauern. Eine neue Zeit ist da. Und darf, übertragen, auf dem „Kompost“ der alten gedeihen. Nichts ist verloren. Nicht das Glück in Tüten, bei dem ich im Sortieren alter Plastiktüten so manche Reise neu nachspüren durfte; nicht das Ausfrisieren des wertvollen, aber zwischenzeitlich ganz verfilzten Rosshaarbesens, draußen im Garten: das hat ihm sehr gut getan und wäre ohne die Entschleunigung wohl heute noch nicht getan. Meine Oma hatte Recht, solche Investition lohnt ein Leben lang. Nicht die Diskussion um eine Kirche, die Jesu Botschaft glaubwürdig vermittelt, in Strukturen, Liturgie und Personen. Sogar hier scheint gerade etwas Bewegung in Gang zu kommen. Platz genug wäre in all den Hygiene-geleerten Kirchen allemal. Und so mancher Ereignisse jüngsten Datums.

Nun blicke ich auf mein kleines Reich: Dachboden, Keller, das Büro, alles sauber. Es freut mich, leere Flächen zu sehen. Am Schreibtisch nur mehr die Klassenlisten und der PC, meine zeitweise einzige Verbindung nach dem früher so quirligen Draußen. Ein wenig ist das alles wie eine Zwischenzeit. Noch keine Kontur für das Neue, aber auch keine Chance mehr, ins Alte zurückzukehren. „Siehe, ich mache alles neu!“, ist eine der Verheißungen Gottes. Und ich merke gerade, wie schwer es mir fällt, tatsächlich jenseits der alten Pfade neue Hoffnung zu verbreiten. Das Schon und das Noch nicht, die Zwischenzeit, die Parusie ist eine Herausforderung. Vielleicht gerade am Mittwoch der Karwoche sehr passend.