Am vergangenen Wochenende haben unzählige Frauen in ganz Deutschland mit einem „Thesenanschlag 2.0“ auf sich aufmerksam gemacht. In sieben Thesen haben sie an Dom- und Kirchentüren geheftet, was sie unter einer glaubwürdigen Kirche verstehen. In allen denkbaren Medien wurde über den Thesenanschlag berichtet, der pünktlich zur heute beginnenden Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischöfe Aufmerksamkeit für die Frauenanliegen beansprucht.

Ich bin begeistert, dass auch in unserer Diözese mehr als 120 Kirchentüren mit den Thesenplakaten bepflastert sind. Auch Frauenbund-Frauen haben sich beteiligt und uns stolz ihre Fotos der Aktion geschickt.

Ich stöbere auf der Homepage des Thesenanschlags https://thesen-maria-2-0.jimdosite.com/. Eigentlich will ich mir die vielen Kirchentüren-Fotos anschauen. Aber dann sehe ich, dass die pfiffigen Initiatorinnen eine lateinische Version der Thesen erstellt haben. Ich muss lachen. Neun Jahre lang habe ich in der Schule Latein gelernt und es geliebt. Trotzdem bewundere ich die ausgefeilten Formulierungen. Daneben steht: „Damit man uns auch in Rom versteht…“

Mein Lachen weicht der Nachdenklichkeit. Das ist ein starkes und zugleich trauriges Symbol, finde ich, das viel Wahrheit in sich birgt. Wir verstehen uns nicht mehr, die Kirchenleitung und die Frauen. Wir reden aneinander vorbei. Wir sprechen verschiedene Sprachen. Und die Gräben sind tief.

Der Thesenanschlag zeigt es beispielhaft. Frauen fordern: „In unserer Kirche haben alle Menschen Zugang zu allen Ämtern“ (These 1). Der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz sagt dazu: „Protest ist sicherlich ein legitimes Mittel, aber wir können nicht von heute auf morgen die Kirche ändern, sondern müssen das in einem guten und von Vertrauen geprägten Dialog tun.“

Von heute auf morgen, denke ich. Seit über 50 Jahren liegen alle Fragen auf dem Tisch. Von heute auf morgen, was heißt das für die Amtsträger? Und der gute und von Vertrauen geprägte Dialog, was halte ich von ihm? Ich zweifle, ob er je ein Dialog auf Augenhöhe sein kann, so lange die Macht so verteilt ist, wie sie ist.

Es ist nur ein Sprach-Beispiel für die Entfremdung, für das notorische Einander-nicht-mehr-verstehen. Viele andere könnte ich finden. Ich denke an die Online-Konferenz des Synodalen Weges und die Diskussionen über die mittelalterliche Braut-Bräutigam-Mystik, die als Argument gegen die Ämteröffnung für Frauen angeführt wird. Braut-Bräutigam-Mystik des Mittelalters gegen das Argument der Gleichberechtigung. Wie wird das je kompatibel?

Ob Latein hilft? Ich fürchte, nein. Das einzig Hilfreiche wäre der Wille, als Verantwortungsträger endlich die Sprache des Gottesvolkes zu lernen. Aber nicht erst morgen. Sondern heute.