Nach diesen Kar- und Ostertagen mache ich mir Gedanken, was die Coronakrise wohl an unserer Kirche verändern wird. Vieles geht mir durch den Kopf, ohne dass ich es zu Ende sortieren kann. Ich versuche es zu beschreiben in der Hoffnung, dass andere in diesem Blog ihre Gedanken dazulegen.

Zunächst: Ich glaube, unserer Kirche tut es gut, dass sie gerade gefragt ist wie selten sonst. Ostern ohne Gottesdienste? Was in anderen Jahren für viele ganz normal war, scheint in diesem Jahr undenkbar. Die Möglichkeit, in einem Gottesdienst Halt zu finden und damit dem Osterfest eine tiefere Bedeutung zu geben, wird von mehr Menschen eingefordert, als wir je gedacht hätten.

Und die Not macht erfinderisch. Was mir besonders auffällt ist die neue Freiheit, die im Moment das Ruder übernommen hat. Menschen feiern zuhause Gottesdienste in eigener Form, mit neuen Erfahrungen. Mir geben diese häuslichen Gottesdienste viel. Sie schweißen uns zusammen als Familiengemeinschaft in der Krise.

Selbst zuhause Gottesdienst zu feiern erinnert an die Anfänge der Kirche. Die sonst festgelegte Form, der detailliert vorgegebene Ritus, die klare Rollenverteilung zwischen Bevollmächtigten und Gläubigen, die uns kirchlich oft so sehr beschäftigen, sind nicht mehr wichtig. Es geht um elementare Vollzüge: Beten, singen, hören auf Gottes Wort, miteinander Mahl halten. Letzteres ist in der Form weit weg vom Sakrament und hat doch eine tiefe Glaubensdimension. Was das wohl bedeutet für die Kirche der Zukunft?

Auf der anderen Seite gibt es gerade diese Vielzahl an gestreamten Messen. Sie schießen wie Pilze aus dem Boden. Sicherlich steht hinter ihnen viel Mühe der Vorbereitung. Und ich weiß, dass sie vielen Menschen wichtig sind, gerade an Ostern. Sie sind Ersatz, stabilisieren in unsicherer Zeit.

Und doch werfen diese Feiern auch Fragen auf. Sie senden als Signal aus: das Sakrament der Eucharistie geht weiter! Es wird zum Mahl der Einzelnen, die es stellvertretend vollziehen. Aber: Was ist ein Abendmahl ohne echte Gemeinschaft? Und: Kann man stellvertretend Mahl halten? Auch darüber werden wir noch viel nachzudenken haben nach der Krise.

Und meine letzte Erfahrung: Was mir mehr gefehlt hat in den letzten Tagen, als ich je gedacht hätte, ist nicht allein der Gottesdienst, sondern die ganz reale, spürbare Gemeinschaft der Gemeinde. Ostern lebt wesentlich von der Freude der anderen, von den vielen Gesichtern, den guten Wünschen, der Festtagsstimmung, die im Teilen lebendig wird. Und vom Gefühl einen Ort zu haben, wo wir als Familie im Glauben hingehören und wo wir mitgetragen sind. Bemerkenswert. Auch das eine wichtige Erfahrung der Coronazeit, die in mir noch nachwirken wird.

Geistliche Beirätin des KDFB Rottenburg-Stuttgart - Als Seelsorgerin frage ich in der Coronazeit nach dem, was uns in Krisenzeiten stützt und hält. Als Familienmama und neuerdings Homeschooling-Lehrerin mache ich neue Erfahrungen des Familienlebens. Ich teile meine Gedanken in diesem Blog, weil ich es kostbar finde, einander Anteil zu geben an dem, was uns in dieser besonderen Zeit bewegt.

4 Kommentare

  1. Gabriele Greef 13. April 2020 at 21:50

    Zum Stichwort „Gestreamte Messen“
    Als ich die erste sah, war ich nur unangenehm berührt. Dann ging ich auf die Homepage unserer Nachbargemeinde und fand einen Link zum Gottesdienst. Der Dekan spulte routiniert die Messe ab. Gemeinde schien ihm nicht zu fehlen. Und ich überlegte, ob ich diesen Priester zum Gottesdienst feiern brauche?
    Ich habe diese Karwoche intensiver als jede zuvor gelebt und erlebt. Ich habe bewusst Seiten im Netz aufgerufen, die mir gut tun. Immer wieder St. Willehad auf Wangerooge,. Gründonnerstag hielt ich alleine eine Agapefeier, Gesellschaft waren mir die Familienfotos an der Wand. Den Frauenkreuzweg aus Stuttgart fand
    ich sehr berührend. Ich las verschiedene Predigten zur Karwoche, zu Ostern. Ich erlebte den Sonnenaufgang. Und ein Konzert unseres Musikvereins, jede(r) spielte von daheim, niemand war zu sehen, doch zu hören. Und ich stellte fest, ja, mir fehlt schon die Gemeinschaft der Gläubigen. Doch die Kartage und Ostern geschehen in mir, ich erlebe sie im Herzen. Und so intensiv war es noch nie.

  2. Ute Hücker 15. April 2020 at 8:23

    Ja, es waren Ostertage „der anderen Art“. Anders, weil ich auf die Gemeinschaft der Glaubenden in der Kirche verzichten musste. Anders, weil es ein wunderbares Gefühl war, dass Ostersonntag die Kirche geöffnet war, Menschen aus der Pfarrei vereinzelt in Bänken saßen, sich zunickten, auf Entfernung miteinander sprachen, der Pfarrer und pastorale Mitarbeiter*innen im Gang standen und sich freuten, Besucher*innen begrüßen zu können. Es war wie „nach hause“ kommen. Und ich bekam sogar noch ein Geschenk: eine Tüte mit „Ostergedanken“: einem Vorschlag für einen Wortgottesdienst zuhause, eine Osterbetrachtung des Pfarrers, für Kinder ein Ausmalblatt der Ostergeschichte, dazu ein bemaltes gekochtes Ei und drei kleine Schoko-Eier. Schön! Über 500 Tüten waren in den Bänken verteilt.
    Ostern der „anderen Art“ war auch die Fülle an TV- und Streaming-Messen. Ich habe mehreren Bischöfen zugesehen und zugehört – bis zu dem Punkt, wo ich mich verweigert habe. Es sprang nichts über. Mein Gefühl für Auferstehung bildete sich nicht. Ich war nicht berührt, nicht beteiligt. Das vielfältige Angebot aus zig Kirchen mit zig Pfarrern war sicher gut und wichtig für zig Menschen. Mir gab es jedoch das Gefühl, „draußen“ zu sein. Für mich fand Ostern (noch) nicht statt.

  3. Manuela Pfann 15. April 2020 at 15:33

    Liebe Frau Greef, ich finde es sehr bewundernswert, wie Sie so kurz nach dem Tod Ihres Mannes auf solch positive und ermutigende Art und Weise gerade die Ostertage begangen haben. Ich lese bei Ihnen soviel vom Osterlicht und so wenig vom Dunkel des Karfreitags! Meine Situation ist sicher überhaupt nicht mit der Ihren vergleichbar – aber auch ich habe die Ostertage so intensiv wie nie zuvor erlebt. In den vergangenen Jahren hatte ich viele einsame Zeiten, das bringen Trennung und Ortswechsel einfach mit sich. Aber irgendwann hatte ich verstanden und gelernt, das Positive zu suchen, zu finden und es dann für mich im Herzen zu erleben. Diese Ostertage waren diesbezüglich eine große Herausforderung. Ich bin unglaublich froh und dankbar wie ich sie erleben durfte. Wie Sie habe ich viele Texte im Netz gelesen, gestreamte Messen nur wenige Minuten ertragen, dafür an Karfreitag ein Konzert von 2Flügel auf YouTube angehört, vielen Menschen geschrieben und einfach die Wärme der Sonne wirken lassen. Ein nie dagewesenes Ostern! Herzliche Grüße!

  4. Gisela Muschiol 28. Mai 2020 at 0:24

    Danke für all diese Gedanken – ich finde mich in vielen wieder. Ich habe genau eine Messe im Stream erlebt. Das ging nicht, nein – der Rechner ist mein Arbeitsgerät, vor dem kann ich nicht beten. Und diese einsam Feiernden! Geht auch nicht. Früh in der Coronazeit schon das Radio als Alternative entdeckt – für die Sonntagsmesse. Und ansonsten das Stundengebet in völlig neuer Intensität beten können – das gibts sogar als App! Haben mir meine Studies beigebracht, wunderbar. Am meisten hat mich diese völlige Meßfixiertheit irritiert auf den ganzen Netzseiten der Bistümer, Pfarreien usw. – ja, wieso ist denn da keiner auf die Idee gekommen, auch mal Gebetszeiten aus Abteien zu verlinken? Oder auch nur auf die Stundenbuch-App hinzuweisen? Ich habe bei einem großen katholischen Mediendienstleister mal danach gefragt, warum sie so fixiert auf die Messe sind – Antwort: Die Leute wollen das. Das wiederum kann ich mir nicht vorstellen – und – wer sind denn „die Leute“?

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