In der katholischen Kirche von Jerusalem ist der 24. April ein besonderer Tag, von dem sich die Kirche in der ganzen Welt ein Stückchen abschneiden könnte, finde ich. Denn der liturgische Kalender des Lateinischen Patriarchats, so die historische Bezeichnung unserer Diözese, führt an diesem Datum den Gedenktag der „heiligen Maria Kleopha und anderer heiliger Jüngerinnen des Herrn“ an. Das ist nicht etwa meine Privatdeutung oder -übersetzung, sondern so steht es schwarz auf weiß  im deutschsprachigen Messbuch für das Heilige Land, mit derselben Bedeutung in den arabischen, hebräischen, italienischen oder lateinischen Ausgaben (z.B. „… aliarum Christi Discipularum“). Die „Jüngerinnen Jesu Christi“ haben hier in Jerusalem einen eigenen Feiertag. Und man wie frau beachte noch dazu den Plural!

Die Tatsache, dass Jesus zu seinen Lebzeiten auch viele Frauen als „Jüngerinnen“ nachgefolgt sind, ist nichts Neues, sondern liegt ganz auf der Linie des geschwisterlichen Umgangs Jesu mit Frauen und Männern. Auch wenn Traditionalisten die betreffenden Textstellen gerne anders lesen und auf die – männlich dominierte – wortwörtliche Ausdrucksweise pochen, gilt ihre Ansicht in der modernen Bibelwissenschaft inzwischen als überholt. Dass namentlich Frauen wie Maria (die Mutter Jesu), Maria (die Frau des) Kleophas (auch: Kleopas), Maria von Magdala und mit ihnen viele (namenlose) Frauen (im Plural) an zwei der bedeutendsten Stellen in der Heiligen Schrift genannt werden, lässt sich auch mit noch so vielen Gegenargumenten nicht kleinreden. Denn selbst die (männlichen) Autoren der Evangelien Mitte bis Ende des 1. Jahrhunderts nach Christus konnten eines nicht verleugnen oder weglassen: Im Gegensatz zur Mehrzahl der Jünger folgten die Jüngerinnen Jesus nach bis unter das Kreuz und bis zu seinem Grab. Wie wir zuletzt –übrigens heute vor genau zwei Wochen – bei der Passion am Karfreitag gehört und gelesen haben, standen bei dem Kreuz Jesu „seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Kleopas, und Maria Magdalena“ (Joh 19,25; ähnlich auch bei Mt, Mk und Lk). Ebenso übereinstimmend berichten alle vier Evangelien von Frauen bzw. Jüngerinnen als den ersten Zeugen des leeren Grabes und der Auferstehung Jesu. Erst danach kommen einige der Jünger ins Spiel, so ist es in den Bibeltexten schwarz auf weiß zu lesen.
Und man könnte noch eine dritte Textpassage hinzufügen: Dass es sich bei den beiden Emmaus-Jüngern (in Lk 24) um ein Ehepaar handelte, nämlich Kleopas und seine Frau Maria Kleopas (ja, genau die aus dem Passionsbericht) – wie einige Bibelwissenschaftler es deuten –, wäre die logische Fortschreibung der Osterberichte. Hoffen wir einmal, dass sich diese Erkenntnis in Exegese und Predigt ebenso durchsetzt wie die Rehabilitierung der Junia, der Frau des Andronikus (in Röm 16,7), die Jahrhunderte lang als männlicher Begleiter „Junias“ durchgehen musste.

Voller Idealismus schreibe ich diese Zeilen und finde den heutigen Jerusalemer Gedenktag für Maria Kleopha und alle anderen Jüngerinnen Jesu die perfekte Vorbereitung auf den 29. April, den Tag der Diakonin, in gedanklicher Nähe zur hl. Katharina von Siena.

Warum ich heute all das schreibe? Ganz einfach. Ich bin Ordensschwester und sehe mich als Jüngerin Jesu Christi, in Seiner Nachfolge in der heutigen Zeit. Dafür habe ich – wie meine männlichen und weiblichen Vorgänger(innen) zur Zeit Jesu und in den Jahrhunderten danach – alles andere aufgegeben. Denn Sein Evangelium fasziniert mich so sehr, dass ich mich Ihm ganz widmen, auf Ihn schauen und Seine Gegenwart unter uns lebendig werden lassen und verkünden möchte. Dass man mich als „Schwester“, „Sister“, „Sora“, „Ma Soeur“ anredet, passt perfekt dazu. Gerne will ich alle in geschwisterlichem Geist unterstützen, ohne Vorurteile, ohne Standesschranken, so wie Jesus es getan hat. Liebe (Mit-)Brüder und (Mit-)Schwestern, gibt es dagegen irgendwelche ernstzunehmenden Einwände? Für alle Apostel(nachfolger), Jünger und Brüder, die sich damit schwer tun, habe ich hier schon mal ein Gegenargument parat: Kein geringerer als der hl. Hieronymus schrieb im 4. Jahrhundert in Betlehem augenzwinkernd in einem Bibelkommentar: „Als Jesus auferstanden war, erschien er zuerst den Frauen. Jene wurden ,Apostelinnen der Apostel‘. Und die Männer sollten schamrot werden, weil sie den nicht suchten, den das zartere Geschlecht schon gefunden hatte.“