„… Für das nächste Jahr wünsche ich mir nicht mehr und nicht weniger als nur dieses: Dass ich ebenso gut schlafe am Tag vor meinem Geburtstag, egal was kommt.“

Es ist auf den Tag genau ein Jahr her, als ich diesen Satz im Blogbeitrag am 22.11.2020 geschrieben habe. Ja, mein Wunsch ist in Erfüllung gegangen! Ich habe gut geschlafen gestern, am Abend vor meinem Geburtstag. Weil wir alle nach wie vor gesund sind, weil wir, trotz Corona, eine gute Zeit in der Familie hatten. Und trotzdem habe ich mir den guten Schlaf in dieser Nacht erst „erarbeiten“ müssen. Denn heute ist nicht irgendein Geburtstag, es ist mein 50. Auf diese Zahl zuzugehen, war für mich lange, wie auf eine Wand zuzulaufen. Auf das Ende von irgendwas. Doch im Laufe des Jahres ist diese Wand mehr und mehr gewichen und ich war selbst überrascht über die Weite, die sich dahinter aufgetan hat. Über diese neu geschenkte Perspektive freue ich mich heute am meisten! Ich habe sie als SWR-Abendgedanken in Worte gefasst:

„Das musst Du feiern Mama! Du musst feiern, dass du jetzt alt bist!“ Meine Kinder haben mich in den vergangenen Monaten mit diesem Satz genervt. Und sind nicht müde geworden, ihn regelmäßig zu wiederholen; um mich mit schelmischer Freude auf meinen runden Geburtstag hinzuweisen. Mich hat es geärgert, dass sie tatsächlich finden, ich sei mit 50 schon alt. Und gleichzeitig sind sie der Meinung, ich solle das feiern. Das hat für mein Gefühl nicht zusammengepasst.

Wenn ich meine Kinder und deren Freunde reden höre, dann fällt das Wort „feiern“ ziemlich oft. Sie verwenden diesen Ausdruck immer dann, wenn sich etwas gut für sie anfühlt; dann sagen sie, sie feiern das. Das kann eine bestimmte Sache sein, eine Situation oder eine Person. Mein Sohn feiert zum Beispiel gerade seine Geschichtslehrerin, weil sie guten Unterricht macht. Meine Tochter ihren Maracuja-Saft und irgendeine neue Netflix-Serie.

Ich war mir lange nicht sicher, ob sich mein Geburtstag in diesem Jahr gut anfühlt. Denn diese 50 Jahre sind ein Schwellenalter für mich. Weil es jetzt unwiderruflich klar ist: mindestens die Hälfte meines Lebens ist schon vorbei ist. Was gleichzeitig bedeutet: Für so einiges ist es definitiv zu spät, so manches ist nicht mehr möglich. Und die körperlichen Einschränkungen werden unweigerlich größer. Das ist die eine Seite der Schwelle. Die andere Seite in den Blick zu nehmen – dabei hat mir die Haltung der Tuareg geholfen; ein Volk, das als Nomaden in der Wüste lebt. Sie legen andere Maßstäbe an, wenn sie vom Alter sprechen. Denn auf die Frage, wie alt sie sei, hat ein Tuareg-Mädchen geantwortet: „Ich weiß es nicht. Wir zählen nicht die Jahre. Jeder ist so alt wie die Aufgaben, die er erledigen kann.“

Diese Antwort und die Einstellung der Tuareg zum älter werden, die gefallen mir. Ich spüre, dass mich diese Perspektive auf mein Lebensalter frei macht. Frei macht, um zu feiern: Jedes Lebensjahr das ich erleben durfte. Jede Erfahrung, die mich reifer gemacht hat. Jede Niederlage, die ich ausgehalten habe. Jeden Streit, den ich schlichten konnte. Jede Hoffnung, die sich erfüllt hat. Und jeden Konflikt, den ich gelernt habe zu lösen.

Ich folge also meinen Kindern: ich feier diesen Tag, an dem ich nun alt bin! Ich feier meine 50 Jahre – heute! Ich feier, dass ich noch immer da bin. Und ich feier das, was da noch kommt – ich feier all die Aufgaben, die ich ab jetzt noch erledigen kann!

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