Ich habe einen Leih-Hund. Besser gesagt, ist es eine kleine Retriever-Hündin namens Anni. Anni verbringt einen Tag pro Woche bei mir, wenn ihre Hundeeltern am Arbeiten sind. Dann liegt sie treu zu meinen Füßen, wenn ich am Schreibtisch arbeite. Und sie wedelt mit dem Schwanz, wenn sie merkt, dass ich die Arbeit beende und mir die Schuhe für unseren gemeinsamen Spaziergang anziehe. Es ist schön, jede Woche einen festen Grund zu haben spazieren zu gehen, ganz egal, was das Wetter draußen macht.

Corona stellt auch diese Gewohnheit infrage. Annis Hundeeltern sind zuhause wie so viele. Es ist also nicht „nötig“, dass ich die Hundebetreuung übernehme. Wir haben ausgemacht, dass ich mich melde, wenn ich sie mal ausführen möchte.

Gestern war so ein Tag. Ein Urlaubstag zäh wie Kaugummi. Zwischen Wäsche, Kochen, Lesen, Klavierspielen und Kind-Bespaßen. Nur dass der Spaß gerade enge Grenzen hat. Kein Ausflug in den Zoo möglich, kein Schwimmbad offen, keine Shopping-Tour in Aussicht. Alle anderen Beschäftigungen schon „ausgelutscht“.

Wir versuchten es mit dem Baumarkt als Höhepunkt des Tages. Aber es geriet zum Desaster. Hornbach hat jetzt eine neue Regel, die heißt: 1 Auto = 1 Person betritt den Baumarkt. Das hieß, dass das Kind im Auto blieb, während ich durch die Gänge des Marktes düste und eilig unsere Kleinigkeiten zusammensuchte. Nicht, dass ein 11-Jähriger mit Handy im Auto an Langeweile stirbt. Aber so war es eben nicht gedacht gewesen. Der gemeinsame Ausflug wurde zum hektischen Trip und endete in einem Streit auf der Rückfahrt.

Nun war die Zeit gekommen, mir eine Auszeit zu nehmen. Ich rief die Hundemama an: „Glaubst du, dass Anni mit mir spazieren gehen möchte?“ – „Sicherlich!“, war die Antwort. Ich ging Anni in ihrem Garten abholen. Sie wetzte auf mich zu und warf sich vor mir auf den Rücken. „Einmal bitte den Bauch streicheln!“, heißt das. Sehr gerne. Ich nahm sie an die Leine und machte mich auf den Weg mit ihr ohne rechte Vorstellung, wo er uns hinführen würde. Wir ließen uns einfach treiben.

Anni ist der brävste Hund, den ich kenne. Sie möchte immer alles recht machen. Das ist eine fabelhafte Eigenschaft für einen Hund. So gesehen ist es vollkommen entspannt, mit ihr unterwegs zu sein. Sie schnüffelte ausgiebig an jedem zweiten Grashalm. Ich begann mich zu entspannen. Ließ meine Gedanken schweifen. Fand den Tag schon viel weniger ätzend.

Wir trafen einen anderen Hundebesitzer, der seinen Hund an Anni schnüffeln ließ. Der Mann schmunzelte und sagte: „Die beiden dürfen das, wir beide halten vorschriftsmäßig Abstand.“ Ich musste lachen über den etwas gewagten Vergleich. Und fand ihn dann doch eine gute Zusammenfassung des momentanen Zustands. Menschen bleiben auf Distanz. Tiere scheren sich nicht darum. Wie beneidenswert!

Ja wirklich. Ein Hund macht sich keine Sorgen über Ansteckungswege, Fallzahlen, wirtschaftliche Folgeerscheinungen. Er fragt sich auch nicht, wann wohl die Schule wieder öffnet und ob uns Kurzarbeit droht. Ein Hund lebt einfach im Hier und Jetzt. Er freut sich an guten Gerüchen, der frischen Luft und Bewegung. Viel mehr braucht er nicht. Allenfalls denkt er darüber nach, wann es Abendessen gibt… Das ist im Moment eine wahrlich gesunde Lebenseinstellung!

Mir hat der lange Spaziergang mit Anni gutgetan. Sie hat meine genervten Gedanken wieder ins Lot gebracht, einfach, indem sie so ist, wie sie ist. Danke, Anni!