Letzte Woche war es so weit. Ich konnte meinen Koffer packen und nach Innsbruck reisen, wo meine älteste Tochter lebt. Endlich! Doch ein klein wenig bang war mir schon zumute, als mich mein Schwiegersohn mit dem knapp 9 Monate alten Baby in Mittenwald abholte: Wie würde sich die strenge Corona-Situation der letzten Monate auf das „Fremdeln“ des kleinen Wesens auswirken? Welche Auswirkungen hat die Isolation der jungen Familie, die ja dadurch verstärkt wurde, dass eine unüberwindbare Grenze zwischen uns lag und auch ein Besuch auf Distanz, ein Zuwinken, kleine, aber regelmäßige Alltagskontakte nicht mehr möglich waren? Natürlich wurden wir ganz wunderbar mit Fotos und kleinen Videos des sich fast täglich verändernden Babys versorgt – und diese Bilder und Videos erfreuten uns wirklich sehr – doch für das kleine Mädchen musste ich eine Fremde sein.

Meine Bedenken zerstreuten sich zu meiner großen Erleichterung schnell, dass meine Töchter und ich recht ähnliche Stimmen haben, mag geholfen haben: Schon bald gehörte ich für das wache und höchst interessierte Baby zum wohlgelittenen Alltagspersonal und wurde morgens mit einem Strahlen begrüßt: wie dankbar war ich dafür, ein ziemlich großes Glück …

Ich denke an die Menschen, die ganz andere Trennungen erleiden müssen, ganz andere Härten erfahren – und bin einfach erleichtert über die Öffnung der Grenzen, über die wieder entspannte Möglichkeit des Reisens!

Da in Österreich in den Geschäften nun keine Maskenpflicht mehr herrscht, war im Alltag dann tatsächlich so etwas wie Normalität zu spüren: eine Wohltat nach all den notwendigen Einschränkungen. Allerdings, als wir einmal abends im „Treibhaus“ bzw. vor dem „Treibhaus“, einer kulturell ambitionierten Innsbrucker Institution, zum Essen gingen, habe ich es für bare Münze genommen, dass uns vor dem Einlass ein jungen Mann im weißen Kittel Fieber messen wollte. Das Auftauchen einiger Herren mit Pestmasken dann allerdings und in historischen, dunklen Anzügen, einer bewegte sich gar auf hohen Stelzen, ließ dann selbst mich merken, dass es sich um Schauspieler handelte, die die Gäste freundlich ansprachen … Scherz und Ernst, Heiterkeit und leises Grauen: wie fragil alles ist, unsere Freiheit, unser Glück, unser Zusammensein, das habe ich an diesem warmen Sommerabend mit einem Frösteln gespürt.

Doch die Freiheit, mit den Liebsten zusammen sein zu können, spazieren zu gehen, zum Essen auszugehen, die Schönheit der Natur, der historischen Städte sehen, in sich aufnehmen zu können, sich gemeinsam zu freuen, sich ohne Angst in den Arm nehmen zu dürfen, all das ist etwas so Gutes, so Schätzenswertes!

– Jetzt bin ich wieder in Bonn, und natürlich spüre ich Heimweh nach dem kleinen, munteren Mädchen, seinem Robben und diagonalen Rollmops-Rollen, seinem begeisterten Schnaufen, wenn es etwas Schönes entdeckt hat, seinem Atem an meiner Wange, seinen knurrend-erfreuten Lauten beim Essen, seinem unentwegten Interesse an allem und jedem, seinem feinen Fühlen und ausdauernden Erkunden. Heimweh – Fernweh – Heimweh – wie gut, dass wir uns bald wiedersehen können!