Am letzten Sonntag war es so weit; auch in unserer Gemeinde fand nun die erste Eucharistiefeier seit Beginn der Corona-Krise statt. Zuvor hatten wir ja schon länger wieder Wort Gottes-Feiern angeboten, ohne Anmeldung, aber natürlich mit Registrierung und allen notwendigen Sicherheitsmaßnahmen – nun also die erste Heilige Messe! In anderen Kirchen unserer Großpfarrei wurde sie schon länger wieder gefeiert, heute nun auch in unserer kleinen romanischen Kirche. –

Ich mache mich fertig, im letzten Moment ziehe ich noch eine Jacke an, vielleicht ist es doch noch kühl in der Kirche. Insgesamt fühlt es sich gut an, aufzubrechen, irgendwie wieder ein Gefühl von Normalität. Ein sonniger Tag, frohgemut und etwas eilig radele ich durch die sonntäglich ruhigen Straßen: besonders früh bin ich mal wieder nicht dran, aber ich werde auf jeden Fall pünktlich sein. Zuversichtlich schließe ich mein Fahrrad ab, begrüße erfreut einen netten älteren Herrn mit „Ellenbogencheck“ und gehe zügig zum Registrierungstisch, an dem das „Willkommensteam“ sitzt: „Willkommensteam“, auch einer dieser überall aufkommenden, etwas schönfärberischen Bezeichnungen: im Prinzip geht es ja einfach um notwendige Kontrolle. Andererseits wird diese Kontrolle mit Liebenswürdigkeit und einem Lächeln ausgeübt, also doch: Willkommensteam …

Eigenartig, denke ich, dass jetzt noch etliche Personen vor der Kirche stehen, darunter eine kleine Gruppe schwarz gekleideter Menschen, offensichtlich in Trauer. Spontan fühle ich mich den Wartenden innerlich verbunden. Ich erfahre schnell – und dann fällt es mir auch wie Schuppen von den Augen: Ich hätte mich – natürlich – anmelden müssen! Plätze seien keine mehr frei, und die Warteliste wäre lang, wird mir mitgeteilt. Was also tun? Eventuell würde die Orgelempore noch freigegeben, heißt es. Ich schaue auf die Menschen in Trauerkleidung, die wohl zu einem Sechswochenamt wollten, und ich wünsche mir für sie, dass sie noch einen Platz finden. Verbunden mit anderen können sie heute vielleicht die stärkende Erfahrung der Verbundenheit der Lebenden mit den Toten machen – und eine kleine Etappe auf dem langen Trauerweg abschließen.

Ich meinerseits schließe mein Fahrrad auf und schiebe es ein paar Meter weiter auf den Friedhof zu unserem Grab. Durch die gekippten Oberlichter der alten Kirche mit den dicken Mauern weht mir der Wind Orgelklänge zu. Sie begleiten mich zu Christoph, zu meinem Vater und zu allen, mit denen ich mich jetzt verbunden weiß. Die Blumen bekommen Wasser, Verblühtes entferne ich, eine Rose leuchtet samtig warm im Sonnenschein, Knospen wachsen ihrer Zeit entgegen. Vogelgezwitscher jubiliert über der Orgel. Ich ziehe die Jacke aus, lege sie in den Fahrradkorb. Die Rose duftet in der Sommerwärme.

Immer wieder wehen mich die vertrauten Klänge an, sie verbinden mich wie ein flatterndes Band mit der sonntäglichen Gottesdienstgemeinde. Ich spüre die Gemeinschaft der Lebenden und der Toten, ich ahne die Verbundenheit durch Raum und Zeit, ich lebe in und von der nicht berechnenden, großzügigen Liebe, die ich bekommen habe, ich bin: dankbar.