Homeschooling Tag Nr. 1 im neuen Jahr an diesem Montag. Wir haben uns gut vorbereitet. Mein Mann hat unseren alten Laptop aktiviert, denn der Unterricht soll nun nach Stundenplan per Videokonferenz stattfinden. Wir als Eltern sind erleichtert. Die Lehrer*innen unterrichten, nicht wir – wie wunderbar! Wir haben alles ausgedruckt, was in der Cloud gespeichert ist. Dass Deutsch mal wieder ausschert und keinen Unterricht vorsieht, nehmen wir mit Gelassenheit zur Kenntnis. Unser Sohn freut sich auf die Schule, die nach fast vier Wochen Ferien und wenig Freunde-Kontakt eine gute Abwechslung ist.

Um 8.00 Uhr geht es los. Um 8.01 Uhr ist der Server zusammengebrochen. Unser Sohn wird aufgeregt. Ich beruhige ihn und laufe schnell los. Der Lateinlehrer hat über Nacht Material geschickt, das noch schnell ausgedruckt werden muss. Mein Mann runzelt die Stirn, als ich in seine Videokonferenz platze. Bei ihm steht der Drucker. Der rattert los, ich kann es nicht ändern. Da sind sie wieder, unsere Homeschooling-Probleme, denke ich genervt.

Als die Verbindung zum Server um 8.37 Uhr endlich klappt, hat der Lateinlehrer aufgegeben. Verständlich. Unser Sohn ist enttäuscht. Er macht sich alleine an eine Liste von Latein-Aufgaben. Ich unterstütze ihn, so gut ich kann, indem ich mein Lateinwissen aus den hinteren Winkeln meiner Erinnerung krame…

Die nächste Doppelstunde ist Mathe. Die Verbindung zur Videokonferenz wackelt. Wir kriegen den Ton nicht hin und hören nicht, was der Mathelehrer sagt. Unser Sohn ist gefrustet und hat schon keine Lust mehr. Später merken wir, dass wir einen Button übersehen haben und ärgern uns über uns selbst.

Meine eigene Arbeit leidet. Ich mache erstmal Mittagessen und bin dann Trösterin und Motivatorin, damit die Hausaufgaben eine Chance bekommen. Spät am Tag setze ich mich an meine Mails und versuche, die Arbeits-to-do-Liste dieser Woche anzugehen. Ich bin müde und schimpfe über die digitale Bildungswüste Deutschland.

Homeschooling-Tag Nr. 2 am Dienstag. Ich habe Bürotag. Das heißt, mein Mann ist der Homeschooling-Beauftragte der Familie. Etwas verschämt gestehe ich mir ein, dass mir das sehr recht ist. Ich entfliehe und genieße meine Freiheit, einfach meiner Frauenbund-Arbeit nachzugehen. Später kommt eine SMS von zuhause, dass der Schulserver wieder zusammengebrochen ist. Aber findige Lehrer*innen haben in Eigenregie auf ein anderes Konferenzsystem umgestellt. Das ist nicht erlaubt, aber immerhin ist auf diese Weise ein wenig Unterricht möglich. Diese Lehrer*innen sind für mich Held*innen!

Als ich nachmittags heimkomme, steht unser Sohn in der Küche. Der Laptop steht auf dem Herd, die Schulhefte sind neben der Spüle deponiert. Im Fach BNT (Biologie, Naturphänomene, Technik) geht es heute um Wasserwiderstand. In einer Rührschüssel versucht unser Sohn mit hoher Konzentration, verschiedene Materialien unterzutauchen und dabei festzustellen, was schnell untergeht und was nicht. Eigentlich wollte ich mir einen Kaffee kochen, aber das muss angesichts solch wichtiger Untersuchungen warten. Auf dem Bildschirm erhasche ich im Vorbeigehen einen Blick auf einen jungen Lehrer, der mit Engelsgeduld die Fragen der Schüler*innen beantwortet. Mir wird warm ums Herz. Schule ist eben nicht, Wissen in sich hineinzustopfen, indem man Material bearbeitet. Schule ist, dass ein Mensch an seinem Wissen Anteil gibt, dass jemand zuhört, erklärt, lobt, Kinder und Jugendliche ernstnimmt und ihnen ein Gegenüber ist.

Abends spielen wir eine Runde Kniffel. Wir lachen viel, weil die Würfel oft nicht das tun, was sie sollen. Ich merke daran, dass wir uns entspannen und die Widrigkeiten hinter uns lassen.

Homeschooling Tag Nr. 3 heute, am Mittwoch. Der Server läuft. Na bitte, geht doch! Dem Lernen steht nichts mehr im Weg. Neben dem Fachwissen, das jetzt hoffentlich ohne Störung vermittelt wird, haben wir -Kind und Eltern- in dieser Woche nebenbei eine Menge anderes gelernt: einmal neu Beharrlichkeit und Geduld. Und Humor, der sich nicht unterkriegen lässt.