Der Ruf „Frauen – Leben – Freiheit“ erschallt immer lauter in Iran. Und immer brutaler reagiert das konservative Regime darauf, dass Frauen und Männern gemeinsam für die Rechte der Frauen, für ein Leben in Freiheit, in Wahlfreiheit für alle, aufstehen. Der gewaltsame Tod von Zhina Mahsa Amini, einer jungen Frau, die wegen ihres nicht korrekt sitzenden Kopftuchs in die Fänge der Sittenpolizei geriet – eine von vielen – war der Funke, der das Feuer des Widerstands gegen die religiös begründete Missachtung von Frauen und gegen Ungleichheit entzündete. Die Mullahs begründen ihr Tun mit dem (vermeintlichen) Schutz der Familie. Mich beeindruckt, dass sich die Männer an die Seite ihrer mutigen Frauen stellen und damit zeigen: Die irre Logik, die in Unterordnung und Unsichtbarkeit der Frau die Ehre des Mannes sieht, ist nicht die unsere.
Junge Frauen demonstrieren in Videos, wie sie ihre langen Haare abschneiden. Dieser Schritt steht für eine neuen Freiheit, für ein neues Verständnis, eine neue Vielfalt von Weiblichkeit, die sie den religiösen Führern entgegenschleudern: Diese Bilder gehen mir unter die Haut. Ja und wieder ja: das Private ist politisch und das Politische macht vor dem Privaten nicht Halt!
Das Privateste ist doch die Familie, oder? Doch auch hier gilt es, wachsam zu sein: Wenn Männer wie z.B. Trump und führende konservative Evangelikale in Amerika den Begriff der „Familienwerte“ in den Mund nehmen, geht es ihnen um die Einengung und Zurückdrängung von Frauen auf bestimmte Rollenbilder – und damit um die Erhaltung patriarchaler Strukturen. Auch hier ist das Private und das Politische nicht zu trennen. Auch hier gilt es, wachsam zu sein.
2017 hat Russlands Präsident Putin ein Gesetz über häusliche Gewalt erlassen, mit dem genau diese sogenannte „häusliche“ Gewalt in Russland entkriminalisiert wird, auch hier unter dem Deckmantel der „Familienwerte“. Das bedeutet, dass die Männer in einem Land, in dem Alltagsgewalt weit verbreitet ist, straflos ihre Frauen und Kinder quälen und schlagen können. – Das Private ist das Politische und das Politische ist immer auch privat: Gemeldet wurden 2017 in Russland 14.000 von ihren Partnern getötete Frauen, Tendenz deutlich steigend. Das Signal einer toleranten Haltung gegenüber Misshandlungen und Gewalt gegen Frauen und Kinder ist wahrhaft fatal! Doch das traditionelle Familienbild mit dem Mann als fraglosem Oberhaupt wird so gewahrt.
Auch in Europa gibt es Länder, die unter der Flagge der „Familienwerte“ die Rechte von Frauen wieder einschränken und einengen wollen. Aber Frauenrechte sind Menschenrechte, und auch Minderheiten und queere Menschen werden so erneut ausgegrenzt.
Die Beachtung bwz. Missachtung von Frauenrechten ist wie ein Seismograph für Demokratie und Rechtstaatlichkeit, für die Freiheit aller. Es ist derzeit wahrzunehmen, dass die Einschränkung der Rechte von Frauen, generell Geschlechterungleichheit das Einfallstor für totalitäre Tendenzen sind. Die Türkei ist mittlerweile aus der „Istanbul-Konvention“ ausgetreten, die ja die Frauenrechte benennt und schützt; Russland ist eines von vier Ländern weltweit, die dieser Konvention nie beigetreten sind.
Ich wünschte, die katholische Kirche würde sich endlich klar und kompromisslos für Frauenrechte und Gleichberechtigung einsetzen. Ich vermisse diese Stimme, die mir wichtig ist!
„Frauen – Leben – Freiheit“: der Ruf erinnert daran, dass Gleichberechtigung in allen Bereichen entscheidende Voraussetzung für Frieden und Freiheit, für ein gutes, sicheres, freies Leben aller ist.