Was für eine wunderbar winterliche Schneedecke über Freitagnacht unsere Landschaft weiß abdeckte! Alles ist im Schnee betrachtet viel heller, Geräusche gedämpfter, vornehme Ruhe liegt über dem Land. Ach, wäre da nicht gerade das Gutachten für die Erzdiözese München bekanntgegeben worden! Angesichts der nüchtern präsentierten Ergebnisse bleibt Spucke und Widerwort weg, für mich als Angestellte dieser Kirche ist es nur noch zum Schämen. Und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass sich auch über unsere Kirche gnädig eine Schneedecke legen würde. Die heller macht, Geräusche schluckt und vornehme Ruhe ausstrahlt.
Doch das geschieht nicht; weglaufen geht nicht; die Befunde ändern auch nicht; sich schämen ist keine wirkliche Lösung.
Halt, was hat es gleich wieder mit der Scham auf sich? Die Kinder und Jugendlichen haben sich geschämt zu erzählen, was gerade an ihnen getan wurde. Gleiches bestätigen auch viele der erwachsenen Frauen, die sich aus ihrer psychischen Abhängigkeit von Klerikern nicht befreien konnten, die ähnlich missbraucht wurden. Ob sexuell oder in geistiger Abhängigkeit – was ändert es? Ist es an Erwachsenen hinnehmbarer als an Kindern? Weil das uns mehr aufbringt, weil es noch schmutziger ist?
Und es ist ja nicht so, dass es irgendwo passiert wäre. Eggenfelden und Falkenberg, Burghausen, Garching, im Aktionsradius des Passauer Musikreferates – keiner dieser Orte ist weit weg. Überwindet man seinen Ekel und hört bzw. liest man sich etwas ein, wird es noch unfassbarer: den Opfern wurde nicht geglaubt; sie schämen sich vor sich selbst, vor allen andern Menschen; fühlen sich entwürdigt durch das, was an ihnen angetan war; glaubten sich weiter wehrlos und hilflos. Ein Teufelskreis. Eltern, die das Unsagbare langsam begreifen und sich melden, schließen mit den Führenden im Ordinariat Stillhalteabkommen, lassen Geld für Schweigen zu. Und schämen sich. Wenn es je einen Beweis für die Lehre von der Erbsünde brauchte, hier ist er erbracht: Missbrauch ist als „Verfehlungen“ so zerstörerisch, dass er unentwegt neue und neue Sünden gebiert. Jeder Versuch zu retten, was noch zu retten wäre, führt nur noch tiefer in Elend und Schuld.
Trotzdem, ich liebe die Kirche, sie ist meine Kirche: in ihr lebt Gottes Wort, so viele Menschen die zum Wohl von Kindern und Suchenden, von Armen und Vergessenen mit voller Kraft arbeiten. Bunte Blumenwiesen, schöne Parks, fruchtbare Äcker an gelingendem Leben ermöglichen, gegen allen Hass und Egoismus, die beide überall ihr Domizil finden. Ich bin stolz auf die großen und kleinen Gärtner, Park- und Landschaftspfleger, die als Mitglieder dieser Kirche unserer Gesellschaft seit meiner Kindheit ihren Stempel aufdrückten. Verantwortungsvoll, weisend und geduldig. Und dann fahren Einzelne, Geweihte, wie Panzer in diese hoffnungsfrohe Welt, hinterlassen ihre Spur der Verwüstung und machen weiter und weiter und weiter. Weil sie es konnten. Weil keiner mit Ehrlichkeit Einhalt gebot. Weil die ätzende Wunde keiner anschauen mag, aussprechen will, zu schmerzhaft ist und so die mangelnde Bewältigung in bedrückendem Schweigen eingefroren wird. Also doch eine verbergende Schneedecke?
Ich sage, es schämen sich die Falschen. Die, die verzweifelt oder auch in gutem Glauben die Beete bestellten, die in den Pfarreien aktiv waren, ihr Bestes gaben. Ein Erzbischof, der seinen Rücktritt anbot, bevor ihm detailliert Nachlässigkeiten bewiesen wurden, alle redlichen Kleriker ohne Arg. Ihre Scham mag bitter sein, aber es ist wie bei Kindern. Verzeihung, die dürfen sich schämen für etwas, das sie falsch gemacht haben. Aber das ist erst der winzige Anfang: je älter sie werden, umso anspruchsvoller ist der Prozess. Das zerstörende Verhalten muss ausgesagt, angeschaut, bekannt werden. Es braucht echte Reue und konkrete Wege zur Bereinigung. Man muss ausbaden, was falsch lief. Und da sehe ich im Moment niemanden, der hier tätig wird. Im Gegenteil, es wird weiter richtiggestellt, nachgelesen, neu überprüft. Egal an welcher Schaltzentrale der Kirche. Ja: und viel zu oft noch nicht einmal Scham!!!
Halt, geht`s noch? Bitte, kein Feilschen um Geld, Rücktritt, Prävention, es braucht das Eingeständnis so vielfältiger Schuld so vieler Mit-Beteiligter. Und die Besinnung auf den, dessen Wort schon vor 2000 Jahren den Weg, die Wahrheit und das Leben wies. Liebe Geweihte, lernt doch bitte von den Kleingärtnern, den Parkpflegern und Bewirtschaftern so vieler fruchtbarer Felder, die dem Unfassbaren ihre Stirn bieten und mit ihrer unverdrossenen Arbeit für das Reich Gottes jeden Tag mehr Zeugnis ablegen als gegenwärtig alle Domkapitel und Bischofskonferenzen zusammen!
Ich bin mit der Katholischen Kirche aufgewachsen. Heute bin ich eine alte Frau. Einige Priester haben mir in meinem Leben den Weg gezeigt, sie waren Vorbild und mit ihrer Art zu leben – das ist fuer mich die echte Kirche!!!
Liebe Frau Schießleder, vielen Dank für Ihre Worte. Ich habe mir selbst auch viel mehr Stellungnahme von unserem Bischof oder auch unseren Geistlichen vor Ort erwartet. Ein klares Bekenntnis zu Reformen. Ich persönlich stecke für mich in einem Zwiespalt: die pastoralen Mitarbeiter unserer Pfarrei machen einen super Job, ich kann sie nicht verantwortlich machen für die Fehler der Oberen. Gerne zahle ich Kirchensteuern, damit sie ihren Lohn erhalten. Gleichwohl sehe ich aber, dass sich in dieser Kirche nichts bewegt. Und wenn dann noch Kommentare wie vom Regensburger Bischof kommen, dann bin ich sprachlos. Ich bin gerne Christin, ich engagiere mich gerne in der Kirche und gehe zum Gottesdienst. Aber ich vermute, ich kann tatsächlich nur mit einem Austritt eine Änderung im Denken bewegen. Kirche ist halt auch nur ein Wirtschaftsunternehmen.
Liebe Frau Schießleder,
Danke für Ihre Stellungnahme und dafür, dass Sie den Satz sagen: Es schämen sich die Falschen!
Als praktizierende aber äußerst kritische Christin, kann ich sehr wenig mit dem Rechtsverständnis der Kirche anfangen.
Jeder Mann der sich an minderjährigen Kindern vergeht und der Fall aufgedeckt wird, geht der Gerichtbarkeit zu und dem Richterspruch.
Die Kirche praktiziert hier eine ganz andere Vorgehensweise:
Zuerst nichts wissen, dann verdecken und verleugnen, später bedrohen oder stückchenweise zugeben und dann halbherzige Entschuldigungen aussprechen!
Pater Anselm Grün sagte vor einigen Tagen in einem TV-Interview:
Es passt nicht von Moral zu predigen, wenn man Moral selbst jedoch nicht lebt.
Dieser Satz bringt es wohl auf den Punkt.
Hoffen wir, dass der eingeschrittene „Synodale Weg“ Änderungen bringt und die „Institution Kirche“ wieder an Wahrhaftigkeit gewinnt – die Bibel bleibt hingegen unser Leitbild.
Ja, auch ich gebe A.Grün recht, man soll nicht Moral predigen, wenn man diese nicht selbst lebt. Ich denke aber auch, jeder getaufte u. gefirmte gläubige Christ ist Kirche u. diese kann nur so gut o. schlecht sein, wie wir alle als gläubige Christen glauben, leben u.
Zeugnis geben v. d. Hoffnung, die uns trägt. Jesus sagt: an ihren Früchten werdet ihr sie erkennen…..; wer ohne Sünde ist werfe
den ersten Stein……. Richtschnur sind die 10 Gebote= Hilfe zum Leben, es lohnt sich diese zu meditieren! Kehrt um u. glaubt a. d.
Evangelium.
Zur geistl. Stärkung u. Weiterbildung empfehle ich aus eigener guter Erfahrung in diesen verrückten – auch kirchlichen Zeiten, die Internetseite von http://www.horeb.org oder auch die TV-Sender Bibel-TV; EWTN . Weiter bin ich d. Meinung, dass viele gut bez. Mitarbeitende in kirchlichen Diensten, u. i. der Verkündigung leider nicht leben, was sie versuche nach außen darzustellen.
Zum Schluss danke in allen guten Priestern u. Ordensfrauen, die authentisch leben, mich bisher begleitet haben u. im Glauben stärken!!!!
Aufbruch, Erneuerung usw. – wohin?
Ja, auch ich stimme A. Grün zu, man kann nicht v. Moral predigen, wenn man diese selbst nicht lebt. Ich denke aber nach wie
vor, die Kirche ist nur so gut o. schlecht, wie wir als getaufte, gefirmte u. gläubige Christen*innen , ob hauptamtliche o. ehrenamtliche Mitarbeiter*innen, ob Religionslehrer*innen o. Gde.Referent*innen, ob kath. Professoren*innen die Botschaft Jesu leben u. auch Zeugnis geben v. d. Hoffnung, die uns trägt.
Es gibt zum Glück auch noch die andere Kirche bzw. ihre Vertreter,*innen, die nicht
vertuschen, nicht missbraucht haben, die noch die Wahrheit v. Gott her verkünden u. auch dieses im freiwillig gemachten
Zölibats-Versprechen leben, die Gott an die erste Stelle stellen, u. sich nicht dem allgem. Mainstream bzw. Zeitgeist beugen. Den Priestern u. Ordensfrauen danke ich von Herzen, diese waren u. sind für mich u. auch viele Andere, gute Wegbegleiter.
Die Synode, mit ihren Forderungen u. a. Aufhebung des Zölibats, Änderung d. Morallehre, entspr. moderne Segnungen , Änderungen des kirchlichen Abeitsrechts usw. geht n. m. Meinung i. die falsche Richtung, weil sie dem wirklichen Anspruch der kath. Kirche leider nicht mehr gerecht wird.
Allen Befürworter der vorg. Forderungen empfehle ich die Teilnahme an Hl. Geist-Exerzitien zur Unterscheidung d. Geister, dann
bin ich überzeugt, dass sich manchen in die richtige Richtung korrigieren würde. Wenn dieses nicht für die Betreffenden infrage kommt, dann bitte ich zur ev. Kirche konvertieren, hier hätten die Vorgenannten ein anderes Amtsverständnis , Kirchenverständnis usw. – hier hätten die Befürworter wahrscheinlich alles, was sie sich wünschen.
Ich denke, die kath. Kirche in Deutschland wird auch diesen Sturm überleben, sie wird zwar kleiner werden aber die Wahrheit v. Gott her wird sich dann wieder durch setzen. Ich hoffe, dass ich das noch erleben darf!
Liebe Frau Dr .Schießleder Ihre Courage,ihre fundierte Beteiligung an der Sendung im BY Fernsehen „Jetzt red i“ hat mich sehr beeindruckt. Es tut so gut ,wenn Frauen sich zu Wort melden in der Sache „Wie kann ich mich als Frau noch wohl fühlen in dieser
„Katholischen Kirche“. ? Ich brauche und liebe meinen Glauben an Jesus und denke mir oft, wie würde er den überkandidelten Führungsstab aus räumen? Allergrößte Bewunderung habe ich vor ihren Mitstreitern in der Öffentlichkeit, die trotz allem noch in Begeisterung für unseren Glauben ansteckend und beflügelnd und tröstlich wirken können.
Danke! und ich grüße Sie !