Veronika Gräwe schreibt:
Am 24. Januar 2022 outeten sich 125 katholische Menschen als LGBTIQ+. Ich bin eine dieser 125 Personen.
#OutInChurch fordert eine Kirche ohne Angst für alle LGBTIQ+ Personen. Das Akronym LGBTIQ+ beschreibt Personen, deren sexuelle Orientierung, also deren Art eine andere Person zu begehren, lesbisch, schwul oder bisexuell ist oder sich in anderen Begriffen wie beispielsweise pansexuell oder asexuell fassen lässt, sowie Personen, deren geschlechtliche Identität beispielsweise trans oder nichtbinär ist. Während cis Personen sich mit dem ihnen bei der Geburt zugeschriebenen Geschlecht identifizieren, trifft dies auf trans und nichtbinäre Personen nicht zu. Ebenfalls als Selbstbezeichnung wird der Begriff Queer benutzt, der teilweise auch als Sammelbezeichnung für nicht heterosexuelle und nicht cis-geschlechtliche Identitäten Verwendung findet.
Ich bin davon überzeugt, dass es die Sichtbarkeit von LGBTIQ+ Personen braucht, um Reformen in der Kirche einzufordern, deshalb habe ich mich an #OutInChurch beteiligt. Ich habe Religionswissenschaften studiert und promoviere in der Theologie. Die katholische Kirche ist damit eine potenzielle Arbeitgeberin für mich.
Nach Abschluss meines Masterstudiums habe ich ein Jahr im Noviziat einer katholischen Ordensgemeinschaft verbracht, bevor ich diese aus verschiedenen Gründen verlassen habe. Während meiner Zeit im Noviziat habe ich es immer wieder als belastend erlebt, mein Erfahrungswissen als queere Person nicht offen nutzen zu können. Auch wenn ich im Anschluss die Entscheidung bewusst getroffen habe, meine sexuelle Orientierung nicht länger zu verstecken, gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Momente, in denen ich mich gefragt habe, wie offen queer ich sein kann. Als ich vor gut einem Jahr zur Co-Sprecherin des Katholischen LSBT+ Komitees gewählt wurde und mein Name erstmals auf einer Pressemitteilung des Katholischen LSBT+ Komitees auftauchte, hat sich mir die Frage gestellt: Was verbaue ich mir vielleicht, wenn ich so öffentlich queer bin? Gerade deswegen braucht es die Reform des kirchlichen Arbeitsrechts und Reformen im Hinblick auf die Missio canonica und das Nihil obstat, damit sich zukünftig niemand solche Fragen mehr stellen muss, damit alle LGBTIQ+ Katholik*innen, auch jene, die sich bei #OutInChurch aus Sorge vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen nur verpixelt oder gar nicht beteiligt haben, Rechtssicherheit haben.
Neben der Forderung nach einer Reform des kirchlichen Arbeitsrechts fordert #OutInChurch auch die Rezeption humanwissenschaftlicher Erkenntnisse und die Überarbeitung des Katechismus. Diese Forderung ist gerade auch in ihrer weltkirchlichen Dimension relevant. Die weltkirchliche Verantwortung zeigt sich, wenn etwa in Polen Städte zu LGBT-freien Zonen erklärt werden oder in Ghana LGBTIQ+ Personen kriminalisiert werden. Wenn LGBTIQ+ Personen und ihren Unterstützer*innen fünf bis zehn Jahre Gefängnis drohen und Bischofskonferenzen nicht einschreiten, ja im Gegenteil die Kriminalisierung von LGBTIQ+ Personen religiös-ideologisch unterstützen. Wenn Jesus sagt „ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen“ und uns unsere LGBTIQ+ Geschwister in Ghana erzählen, wie sie im Gefängnis sitzen und ihnen niemand HIV-Medikamente bringt, macht dies sehr schmerzhaft klar, auf wen geschaut wird und auf wen nicht geschaut wird, wenn Reformanliegen mit Verweis auf die Weltkirche abgelehnt werden.
#OutInChurch ist es gelungen auch trans und nichtbinäre Personen sichtbar zu machen. Hier ist es wichtig Personen zu ermöglichen auch an ihrem kirchlichen Arbeitsplatz gemäß ihrem Geschlecht, und mit der ihrem Geschlecht entsprechenden Anrede zu sein. Wichtig ist es auch, dass trans (und nichtbinäre) Personen ihren Namen im Taufzeugnis ändern können. Die Verwendung eines abgelegten Namens, der auch als Deadname bezeichnet wird, ist für die Betroffenen häufig sehr schmerzhaft und belastend, daher besteht hier Handlungsbedarf.
Aber nicht nur die kirchliche Hierarchie ist gefragt, wenn es darum geht, kompetent im Umgang mit trans und nichtbinären Personen zu werden. Auch wo Katholik*innen sich feministisch etwa für die Priester*innenweihe engagieren, kann es wichtig sein, mitzudenken, dass es eben nicht nur Frauen sind, deren Berufungen aktuell nicht gehört werden.
Veronika Gräwe ist Religionswissenschaftlerin und Doktorandin im Fach Pastoralpsychologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen. In ihrem Dissertationsprojekt beschäftigt sie sich mit der Frage, wie junge christliche LGBTIQ+ Personen Religion erleben. Sie hat sich im Januar 2022 bei der Aktion #OutInChurch beteiligt und ist Co-Sprecherin des Katholischen LSBT+ Komitees. Außerdem ist sie Mit-Herausgeberin des am 16. Mai im Herder Verlag erscheinenden Sammelbandes „Out in Church. Für eine Kirche ohne Angst“. Sie ist Teil der Berliner Maria 2.0 Gruppe und Mitglied im Katholischen Deutschen Frauenbund Diözesanverband Berlin e.V.
Ich frage mich, ob Gott das wohl auch so sieht ? Gott hat uns den freien Willen geschenkt, wir können uns für o. gegen ihn
bzw. seine Gebote – Hilfe zum gelingenden Leben – auch in vorgenannter Problematik – entscheiden. Der Maßstab sind m. E. die 10 Gebote! Hören wir auf die
Evangelien u. leben wir danach. Der Empfang der Hl. Sakramente sind der Schlüssel zum wahren glücklichen Leben.
Mein Gott liebt alle Menschen. Lese ich die Evangelien, so begegnet mir ein Jesus, der sich Menschen am Rande zuwandte Oder Menschen, die seine Hilfe brauchten. Manchmal fragte er nach, was fehlt dir, was brauchst du ? Ich wünsche mir, dass Kirche sich neu organisiert . Dass dort Menschen arbeiten, die ihre Gemeindemitglieder wahrnehmen. Auch die, die nicht integriert sind. Meine Kirche ist bunt und offen. Ohne Druck, Zwang, Erklärungen, Gott liebt, Gott ist die Liebe. Wir alle werden geliebt, so, wie wir sind.