Heute Morgen befasse ich mich mit der Regierungsansage, dass über Ostern keine Gottesdienste stattfinden sollen. Noch haben sich die Bischöfe nicht geäußert. Und so warte ich bangend, was aus dem Frauenkreuzweg wird, den wir für Karfreitag in der Stuttgarter Innenstadt geplant haben. Alles ist vorbereitet. Jetzt liegt wieder einmal alles auf Eis, wie so oft. Das kostet mich Kraft. Ich merke, ich bin müde. Und doch versuche ich, flexibel zu bleiben. Was bleibt mir auch sonst?

Was heute geschieht, so denke ich, ist symptomatisch für die Corona-Zeit. Oft habe ich darüber geschrieben. Und heute feiere ich ein kleines Jubiläum. Denn heute vor einem Jahr habe ich meinen ersten Blogbeitrag geschrieben. Ich, ansonsten immer fremdelnd mit den social media, werde Bloggerin – das ist wirklich ur-komisch! Und heute schreibe ich tatsächlich an Beitrag Nr. 50 – das klingt wie darauf hingearbeitet, ist in Wirklichkeit aber eine Zahl des Zufalls.

Ich lese mit etwas nostalgischem Gefühl nochmals nach, was ich vor einem Jahr geschrieben habe. Und ich muss schmunzeln. Heute sitze ich ausnahmsweise nicht daheim am Wohnzimmertisch, sondern im Büro und schaue von dort nach draußen in den trüben Himmel. Aber mein Sohn müht sich noch immer im Homeschooling, und mein Mann arbeitet sich ohne erkennbares Ende durch seine häuslichen Videokonferenzen. Es ist normal geworden inzwischen.

Damals war alles noch aufregend. Unwirklich. Voller Elan haben wir den Blog begonnen, voller Neugier. Das Ziel, das wir uns gesteckt haben, habe ich in meinem ersten Blogbeitrag so beschrieben: „Wir haben den Plan gefasst, über die nächsten Tage und Wochen unsere Gedanken aufzuschreiben. Uns zu vergewissern, wo wir stehen, was wir denken und fühlen, was sich verändert, was diese Zeit mit uns macht. Und jeden Tag das, was uns bewegt, mit anderen Frauen zu teilen: unsere Verzagtheit und unseren Mut, unsere Ratlosigkeit und unsere Hoffnung, unsere Erinnerungen an andere Zeiten und unsere Fragen an die Zukunft. So soll ein großes Netz des Austauschs, der Solidarität und der Stärkung entstehen. Wir sind gespannt, was daraus erwächst. Und wie wir selbst wachsen in dieser Zeit, die so besonders ist.“

Ich glaube, das ist das, was mich am Blogschreiben so fasziniert: Wir geben Gedanken des Moments wieder, schildern Eindrücke, geben uns Rechenschaft und halten fest, was in uns vorgeht. Für uns selbst und für andere. Dadurch entsteht ein großes Bild, Abschnitt für Abschnitt, eine Art Zeit-geschichte.
Wenn mich heute jemand fragt: Wie war dieses Jahr Pandemie für dich? Dann kann ich sagen: Lies es nach! Schau hinein, was ich davon festgehalten habe! Und wenn ich selbst zurückblättere in meinen Aufschrieben, dann kommt mir alles wieder entgegen: Alle Arten von Gefühlslagen, neue, einschneidende Erfahrungen, Empörung und Dankbarkeit, Verzagtheit und Mut, große und kleine Erlebnisse. Dieses Jahr war gefüllt mit so viel Neuem, und durch alles zog sich die Bereitschaft, flexibel zu bleiben, das Momentane anzunehmen, die Lage zu deuten und ihr damit die Wucht zu nehmen.

Dass auf diese Weise Verbundenheit entsteht, darf ich vielfach spüren. Durch die Kommentare, aber auch, wenn Menschen mich auf den Blog ansprechen. Dann bin ich oft belustigt und erfreut, wer alles mitliest, wer genau Bescheid weiß, was wir so alles von uns geben…;-) Danke heute für das große Interesse und für die gemeinschaftliche Solidarität, die diese ver-rückte Zeit wahrlich erträglicher macht!

Im Laufe der Zeit hat sich der Blog immer weiter entwickelt. Zugegeben: auch mit Durchhängern. Manche Autorinnen haben aufgehört zu schreiben, jede aus persönlichem und gutem Grund. Manche Lücke ist entstanden, weil uns die Themen fehlten oder die Lust zum Schreiben ausging. Auch das ein Abbild der Pandemie. Aber immer wieder sind auch neue Themen dazu gekommen. Themen aus der KDFB-Kampagne. Vor allem aber kirchenpolitische Frauenthemen. Sie suchen einen Ausdruck und finden im Blog einen guten Ort, an dem persönliche Einschätzungen und Emotionen sichtbar werden dürfen.

Und so ist dieser kleine Jubiläumstag für mich ein hoffnungsvoller Augenblick. Zwischen Müdigkeit und Flexibilität wird mein Herz mit Stolz erfüllt. Ich bin dankbar für den Blog. Und ich schreibe einfach weiter, bis unser Leben wieder „normal“ ist. Mal sehen, ob die 100 Einträge voll werden…;-)