„Ein Katholikentag lässt hoffen“ titelte die FAZ gestern – fast überraschend. Denn wir sind mitten in einer Kirchenkrise, deren Ende keinesfalls absehbar ist, auch weil in immer mehr Ländern der entsetzliche, strukturell bedingte Machtmissbrauch von Klerikern ans Licht kommt. Doch inmitten dieser Krise sind Zeichen der Hoffnung zu erkennen.

Zunächst habe ich wieder als Hoffnungszeichen neu erleben dürfen, wofür der Frauenbund steht:

  1. Rede und Antwort stehen

Im großen, hellen Frauenbundzelt in Stuttgart standen viele, ganz unterschiedliche Frauenbundfrauen den Besucherinnen und Besuchern Rede und Antwort. In den Gesprächen habe ich selbst gespürt, wie gut es ist, dass wir gemeinsam Ideen, Vorstellungen, Hoffnungen – und Antworten für eine Zukunft der Kirche entwickelt haben, die weiter führen! Diese Ideen, diese Antworten sind gefragt, wir wurden gefragt! Es ist so wichtig, dass wir nicht erst seit gestern, sondern seit unserer Gründung und unserem Gründungsauftrag entsprechend nach Wegen und Antworten für eine Zukunft des Christlichen suchen. Ich bin dankbar für die einstimmige Forderung der Bundesdelegiertenversammlung 2018 nach der Zulassung aller Getauften und Gefirmten zu allen Ämtern! Heute sind das die Wege, die aus der Kirchenkrise führen können: Ohne echte Geschwisterlichkeit wird es keinen Ausweg aus der Krise, keine echte Erneuerung, keine Gerechtigkeit geben.

  1. Spiritualität als tragender Grund

Der bestärkende und zutiefst beeindruckende Frauenbund-Gottesdienst „Brot und Rosen“ in der  gut gefüllten, lichtdurchfluteten Kirche St. Georg, die lang vermisste Erfahrung wohltuender Gemeinschaft, das anschließende Frauenbund-Begegnungsfest, das Offene Singen, das gemeinsame Gebet zur Nacht: alles zusammen hat mich neu erleben lassen, was uns als Einzelne – und als Verbundene, als Verband – trägt. Neben dem Brot des Alltags brauchen wir die Rosen der Freude! In der „Frauenkirche“ wurde nicht nur von der Nähe Gottes geredet, das Gute, das von der göttlichen Nähe ausgeht, das Heilsame und Verbindende war ganzheitlich zu erleben. In der Musik, im gemeinsamen Gebet, in der Feier der Agape, im Weiterreichen der großen Brotkörbe wurde erfahrbar: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“

Erschöpft und belebt bin ich vom Katholikentag zurückgekommen, und ich wurde auch gleich nach herausragenden Erfahrungen, Persönlichkeiten, Begegnungen gefragt. Meine Mutter zum Beispiel fragte mich ausdrücklich nach Bischöfen, von denen Strahlkraft ausgegangen sei. Ich musste ein bisschen nachdenken:

Ich habe ein Gesicht vor Augen, das für mich und wohl für viele andere die Hoffnung auf Erneuerung verkörpert: Die Benediktinerin Sr. Philippa Rath ist für mich die Hoffnungsträgerin. Von tiefer Frömmigkeit durchdrungen, steht sie mit ihrer ganzen Person für die Erneuerung der Kirche. Mit ihrem bahnbrechenden Buch „Weil Gottes es so will“, in dem 150 Frauen von ihrer Berufung zur Priesterin oder Diakonin sprechen, hat sie der Geschwisterlichkeit  Bahn – und zugleich mutig einen Bann gebrochen: Sie hat die Berufung von Frauen aus der Tabuzone geholt! Auf dem Katholikentag schien sie fast allgegenwärtig. Von vielen wurde sie voller Hoffnung angesprochen. Mit großer innerer Kraft geht sie diesen Weg weiter, stellt sich zur Verfügung, kämpft den Kampf gegen die systemische Missachtung und Abwertung der Frauen in der katholischen Kirche.

Daniel Deckers schrieb resümierend in der gestrigen FAZ: „Und sollte es der katholischen Kirche nicht gelingen, die strukturelle Frauenfeindlichkeit … zu überwinden, werden vielerorts buchstäblich die Lichter ausgehen.“ Sr. Philippa und viele andere mit ihr tragen das Licht der Hoffnung weiter, das Licht des Glaubens und der Liebe, ermutigt und ermächtigt vom ur-biblischen Gedanken der gleichen Gotteskindschaft aller Menschen. Sr. Philippa ist für mich das gute Gesicht dieser Hoffnung. Auf dem Stuttgarter Katholikentag spiegelte sich diese Hoffnung in vielen Gesichtern wieder.