Es ist Samstagnachmittag, ich sitze am Schreibtisch und beantworte Mails, die mich seit Montagabend erreichen. Mails, deren Schreiber mir widersprechen, die mir „Selbsterhöhung“ vorwerfen oder die „schockiert“ sind von meinen Worten, weil ich ihnen ihre Gottesbeziehung abspreche  – so jedenfalls deuten sie meinen Text. Anlass sind meine Abendgedanken in SWR4 vom Montag. Darin habe ich mich distanziert von all jenen Christen, die Corona leugnen oder offen und teils aggressiv gegen die Corona-Maßnahmen demonstrieren. Ganz besonders habe ich die Bewegung „Christen im Widerstand“ und deren Sympathisanten in den Blick genommen. Ich bin schlicht und einfach empört, wütend und fassungslos, wie gerade Menschen in der Corona-Pandemie agieren, für die Nächstenliebe und Solidarität doch eigentlich und wenigstens ein stückweit Teil der eigenen DNA sein sollten. Wir kommen nur gemeinsam und solidarisch durch diese Zeit! Das haben Gott sei Dank sehr viele Leute in Deutschland verstanden, die allermeisten tragen die Einschränkungen mit.

Mir ist klar, dass ich manche mit meinen Worten nicht werde erreichen können. Trotzdem werde ich jede Mail beantworten. Aber es fällt mir schwer, mich mit jemandem auf Augenhöhe auseinanderzusetzen, der sich in seiner Haltung auf die Bibel beruft und mir entgegnet, auch Jesus sei doch in seiner Zeit gegen die Mächtigen aufgestanden.

Zur selben Zeit erlebe ich im Moment hautnah, wie sich die Corona-Lage in den Kliniken auswirkt. Mein Lebenspartner ist Mediziner und sagt, es ist sehr ernst und es wird dramatisch. Für ihn gilt ebenso wie für die KollegInnen und KrankenpflegerInnen ab sofort eine Urlaubssperre; es wird nicht die einzige Klinik bleiben, die diesen Schritt anordnen muss. Fünf Corona-Tests in diesem Sommer und Herbst waren negativ bei ihm; ich hoffe einfach, es bleibt so und denke mit großem Respekt aber auch mit Sorge an das medizinische Personal weltweit, das sich einsetzt, kämpft und aussetzt. Jeden Tag, ganz egal ob dieser Tag ein Montag, ein Sonntag oder der Heilige Abend ist.

Ich weiß nicht ob ich mir wünschen soll, dass ein Corona-Leugner am eigenen Leib erfährt, wie gefährlich das Virus sein kann. Ich möchte eigentlich niemandem eine Leid-Erfahrung wünschen. Aber ein klarer, faktenbasierter, solidarischer Blick – das müsste einem Christen doch möglich sein! Vielleicht kann ich wenigstens noch einen Menschen für diesen Blick gewinnen, dann hätten sich die Zeilen gelohnt.

Die SWR4 Abendgedanken „Gott nicht missbrauchen – Corona-Leugner können keine Christen sein“ zum Nachlesen.