Ich sitze im Zug von Bonn nach Basel und der Rhein glitzert fast unwirklich in der Oktobersonne. Fast unwirklich scheint mir auch, was heute ansteht: Heute Abend wird unser Buch „Erzählen als Widerstand“ im Literaturhaus Basel mit dem Schweizer Marga-Bührig-Preis ausgezeichnet! „Erzählen als Widerstand“, ein Buch, das aus dem Dunkel von Schweigen und Verschweigen kommt. Ein Buch, das aus der Kälte erlittenen und verdrängten Leids kommt. Ein Buch, das schließlich aus dem Willen zur Wahrheit, die frei macht, kommt. Dieses Buch wird nun ins Licht gehoben, dieses Buch wird geschätzt, gewürdigt, ausgezeichnet. Ausgezeichnet, geschätzt, gewürdigt werden somit die 23 Autorinnen, die die verinnerlichten Schweigegebote der Täter*innen und ihres Umfelds überwunden haben.

Der Abend der Preisverleihung ist festlich, getragen von der Ernsthaftigkeit und Schwere des Themas. Zugleich aber sind wir als Herausgeberinnen, in Gedanken verbunden mit den 23 Autorinnen von Erzählen als Widerstand, getragen und aufgehoben von und in einer – ökumenischen – Gemeinschaft von Frauen und Männern, die an diesem Abend im Literaturhaus Basel mitten in der Stadt zusammenkommen sind.

„Erzählen als Widerstand.

Denn Erzählen gibt Worte.

Es macht hörbar, was geschah, es verleiht eine Stimme.

Erzählen ist Handeln gegen das Vergessen,

gegen das Verschweigen

und Verdrängen.“

In der klugen und bewegenden Laudatio der Preisverleihung wurden immer wieder solche verdichteten Wort- Passagen von dem langen, warmen Ton eines Cellos untermalt. Ja, Erzählen ist Handeln, und die 23 Autorinnen konnten in diesem Buch das Heft des Handelns selbst in die Hand nehmen: sich erinnern, sprechen, schreiben, erzählen – handeln!

Warum wurde, auch bei offenkundig hochkarätiger Konkurrenz, „Erzählen als Widerstand“ als preiswürdig angesehen?  Die Jurorinnen des Preises betonten, dass u.a. das Zusammenspiel der Erzählungen der Betroffenen mit den rahmenden, deutenden wissenschaftlichen Artikeln als etwa Besonderes und besonders Hilfreiches gesehen wurde.

Rückhalt im Verband

Regina Heyder, Mitherausgeberin und Vorsitzende der Theologischen Kommission des KDFB, formuliert es an diesem Abend in ihrer Dankesrede so: „Zunächst geht der Dank an die 23 Autorinnen, die ihre Berichte für diesen Band verfasst und zur Verfügung gestellt haben. Die Autorinnen sind die eigentlichen Preisträgerinnen …. (…) Der Dank geht an den Katholischen Deutschen Frauenbund. Ohne den Rückhalt im Verband wäre dieses Projekt nicht zu leisten gewesen.“

Meinen Mitherausgeberinnen und mir, uns vieren geht es an diesem besonderen Abend wohl ähnlich: Wir spüren, dass wir getragen sind von den Menschen im Saal, aber auch von unserem Verband mit den vielen hoch engagierten Frauen, die lange vor uns und heute mit uns eine Gemeinschaft bilden, die wirksam ist! Wir spüren an diesem Abend die solidarische Gemeinschaft mit den missbrauchten, übersehenen, an den Rand und zum Schweigen gedrängten Frauen der Vergangenheit und der Gegenwart: „Bücher haben ihre Stunde“ – mit diesem Satz, den vor 90 Jahren die  damalige Präsidentin des KDFB formulierte, hatte Regina Heyder ihre Dankesrede begonnen. An diesem festlichen Abend in Basel war es die Stunde des KDFB-Buches „Erzählen als Widerstand“. In einem ökumenisch geweiteten Kreis spürten wir Solidarität und Verbundenheit. So konnten wir, bei aller Schwere des Themas, den Abend der Preisverleihung mit Leichtigkeit und Zuversicht bei bereichernden Gesprächen ausklingen lassen. Und mit einer Tätigkeit, die meine Kolleginnen und ich bisher wohl noch nicht ausgeübt haben: dem Signieren von Büchern: Wir sind dankbar für die solidarische Öffentlichkeit, die der Marga-Bührig-Preis mit der Auszeichnung von „Erzählen als Widerstand“ auf seine Weise hergestellt hat.

 

* Gerta Krabbel, 1926 (KDFB-Präsidentin)