Barbara Janz-Spaeth schreibt:
Vor 10 Tagen las ich im Stadtanzeiger die Ankündigung „Segnung des Agatha-Brotes“ im Gottesdienst am Samstagabend, 5.2. Sofort hatte ich ein Bild vor Augen, das ich vor vielen Jahren – ich weiß nicht mehr wo – gesehen habe: Die Hl. Agatha trägt auf einem Silbertablett ihre abgeschnittenen Brüste, die wie Brote daliegen. Diese Darstellung hat sich offensichtlich in mein Gedächtnis eingegraben und ich erinnere mich an einen abgrundtiefen Schauder angesichts der Brüste auf diesem Tablett.
Die Heiligenlegende erzählt von der Folter der Hl. Agatha im dritten Jahrhundert. Sexuelle Gewalt an einer Frau im übelsten Ausmaß, unvorstellbar, abstoßend und widerlich. Aber weil es eine Heiligenlegende ist, kann diese Gewalt fast unhinterfragt dargestellt werden. Tatsächlich sind die Agatha-Brötchen oftmals geformt wie die Brüste einer jungen Frau.
Ich habe die Tradition des Agatha-Brotes nirgends erlebt und wüsste auch keinen Ort, wo sie noch praktiziert wird. In den letzten Tagen habe ich einige Frauen befragt, ob sie davon wüssten und niemand kannte diese Tradition. Es ist ja schon einmal gut, wenn solche abstrusen „Symbole“ aus dem religiösen Gedächtnis verschwinden. Umso mehr war ich entsetzt darüber, dass diese Tradition nun in meiner Stadt plötzlich eingeführt werden sollte. Ich habe dem Pfarrer einen Brief geschrieben und zu verdeutlichen versucht, welche Wirkungsgeschichte er damit fortsetzt. Man kann eine solche Tradition, wo sie denn noch Praxis ist, historisierend einordnen und muss gleichzeitig kritisch hinterfragen, ob sie fortgeführt werden kann. Das eine ist die erlittene Folter einer Märtyrerin der frühen Kirche, deren Grausamkeit nicht beschönigt werden soll. Das andere aber ist eine frauenverachtende und sexuelle Gewalt verherrlichende Tradition, die ohne jedes Nachdenken, ohne jede Sensibilität einfach weitergeführt oder gar neu eingeführt wird. In einer Zeit, wo wir endlich begreifen, welches Unheil sexuelle Gewalt anrichtet, halte ich solches Tun für nicht tolerabel. Ganz abgesehen von all dem denke ich auch an die Frauen, denen aufgrund einer Krebserkrankung ihre Brust abgenommen wurde und die an solch einem Gottesdienst teilnehmen. Wie Seelen-verstörend mag da das Agatha-Brot wirken?
Der Brief hat den Pfarrer offensichtlich nicht von seinem Plan abgehalten. Ich war selbst nicht im Gottesdienst. Das hätte ich beileibe nicht ausgehalten, ohne loszuschreien; doch ich weiß inzwischen, dass Segnung und Verteilen stattfanden.
Deshalb denke ich darüber nach, wie solche Traditionen aktiv beendet werden können. Sie nur einschlafen zu lassen, ist zu wenig. Es muss verboten werden, in der Liturgie oder sonst irgendwo eine solch absurde und abstoßende Tradition zu praktizieren. Und ich hoffe, dass nicht nur ich, sondern auch andere Frauen wachgerüttelt werden, genau hinzuschauen, Einhalt zu gebieten, Widerstand zu leisten und das schweigende Hinnehmen zu beenden.
Barbara Janz-Spaeth, Pastoralreferentin, arbeitet als Referentin für Bibelpastoral/Biblische Bildung in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Zuvor war sie Geistliche Beirätin des KDFB Rottenburg-Stuttgart und Mitglied der Theologischen Kommission des KDFB. Ihr Anliegen ist es, die Frauenperspektive in den theologischen, kirchlichen und gesellschaftlichen Themen einzubringen und zu vertreten.
Liebe Bärbel,
dein Beitrag ist erhellend und erschütternd zugleich. Ich habe inzwischen über das Agatha-Brot gelesen, dass es teilweise beim Almauftrieb an Kühe verfüttert wird, damit sie sich untereinander besser vertragen. Wie makaber ist das denn! Mir begegnet es leider viel zu oft in der Kirche, dass fragwürdige Traditionen, herabwürdigende Begriffe und Deutungen oder überholtes theologisches Gedankengut ganz unkritisch weitertransportiert werden. Wie lange machen wir das noch mit? Ich wünsche mir, dass viele Frauenbundfrauen dazu beitragen, dass derartige Bräuche für immer beendet werden, indem sie einem solchen klerikalen Treiben entschieden entgegentreten!
Herzliche Grüße, Claudia
Liebe Barbara Janz-Späth,
es ist einfach unglaublich. Wer soll denn so etwas heute noch verstehen. Geradezu peinlich und beschämend, wenn man die drängenden Fragen unserer Kirche bedenkt.
Katholische Kirche und Frauenbild: es gibt viel zu tun. Bleiben wir dran.
Irmgard Straub, Wendlingen a. N.
Liebe Bärbel,
diese schreckliche Tradition kannte ich auch nicht. Mir bleibt die Luftweg!
Wie gut, dass du darauf aufmerksam gemacht hast. Vielleicht können wir gemeinsam als Frauenbund in eurem Bistum darauf drängen, dass es aufhört. Und weiterhin wachsam sein,
wo dieser Brauch noch gepflegt wird und dagegen angehen.
Herzlichst! Jutta
Liebe Barbara,
ich lese es gerade und bin entsetzt! Wie gut, dass Du so klare Worte findest die genau thematisieren was zu sagen ist. Dem ist nichts hinzuzufügen. Wie unsensibel kann ein Pfarrer sein, wenn er spätestens auf Deinen Brief hin nicht darüber reflektiert?!
Tanja Kemper, Passau
Solche Beiträge sollte man einfach nur in den Müll knallen. Immer u überall den Mund aufreißen und nix verstehen, sich in den Mittelpunkt stellen u si h als Nabel der Welt verstehen, davon gibt es schon viel zu viele. Kümmert euch um eure Kinder und überlasst die Kirche den Männern das wäre für alle das Beste
Frau Bärbel oder Frau Barbara oder Frau Naseweis, Ihre Meinung und das Aufgestachel zur Hetze über alte Brauchtümer in unserer Tradition ist übel und peinlich. Wenn es für sie nichts anderes zu tun gibt, dann machen sie sich bei der Caritas nützlich, aber wahrscheinlich regen sie sich dann da auch über Nichtigkeiten auf. Auf ihre Meinung über das Agatabrot hat jedenfalls keiner gewartet (außer ihren drei Genossinnen !
Das Agathabrot geht weit über die christliches Deutungen und Legenden hinaus. Die christliche Deutung ist tatsächlich fragwürdig, mindestens aber nicht mehr zeitgemäß … allerdings müsste auch er und Theologin besser wissen, dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt als wir begreifen können. Wenn es Menschen hilft, ruhiger zu werden oder sich beschützter zu wissen/ fühlen, dann hat auch das Wirkung. Und wenn es keinen Schaden anrichtet, was soll’s? Ein kritischer Blick kann ohnedies geschichtliche Fehlentwicklungen und mögliche konstruktive Elemente auseinanderhalten. Auslöschen wollen, Di Drewermann, ist der Quell des Bösen